MVZ in Deutschland: Erfolgsmodell – mit Risiken?

Zahl der MVZ stieg 2020 um neun Prozent

Ende 2020 gab es laut Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 3.846 Medizinische Versorgungszentren in Deutschland. Im Vergleich zu 2019 war das ein Anstieg um 9 Prozent. In Hamburg (20,6 Prozent) und Thüringen (23,5 Prozent) arbeitet inzwischen etwa jeder fünfte Vertragsarzt in einem MVZ. In keinem anderen Bundesland ist der Anteil höher. Besonders niedrig liegt er mit 7,6 Prozent in Baden-Württemberg. Bei 42 Prozent aller MVZ gehört ein Krankenhaus zu den Trägern des Versorgungszentrums. Ebenfalls bei 42 Prozent sind Vertragsärzte an der Trägerschaft beteiligt. In 16 Prozent aller Medizinischen Versorgungszentren gibt es weitere Träger.

Rettet das Versorgungszentrum das Privatleben?

„Inhaber eines MVZ zu sein, kommt den Wünschen vieler Ärzte nach einem gesunden Verhältnis von Arbeit und Privatleben entgegen“, sagt Anne Hätty, Medical Headhunterin bei mediorbis. Der Arzt kann als Inhaber zugleich Angestellter des MVZ sein. So lässt sich seine Pflichtarbeitszeit im Vergleich zum Betrieb einer Einzelpraxis deutlich reduzieren. Als Arbeitgeber hat der Arzt mit dem MVZ weitere Vorteile. Mit einer Einzelpraxis dürfte er maximal drei Angestellte in Vollzeit beschäftigen. Als alleiniger Gesellschafter eines MVZ kann er dagegen beliebig viele Angestellte beschäftigen. Zugleich kann sein MVZ bei Bedarf mit anderen MVZ eine Berufsausübungsgemeinschaft (früher Gemeinschaftspraxis) bilden. Dann hat er die Möglichkeit, an jedem Standort eines Mitglieds der Gemeinschaft zu arbeiten.

MVZ werden für das Gesundheitssystem wichtiger

Gut ausgestattetes Praxis-Klinik-Zimmer

Vorteilhaft sind Medizinische Versorgungszentren möglicherweise nicht nur für die Ärzte, sondern auch für das Gesundheitssystem. „Für die medizinische Versorgung in Deutschland werden MVZ künftig viel wichtiger“, ist sich Christian Wagner sicher. Als Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag begleitet der Fachanwalt für Medizinrecht Vorhaben wie die Krankenhausstrukturreform in Deutschland. Wenn sich die Zahl der Klinken aufgrund der Reform reduziert, könnten gut ausgestattete MVZ Versorgungsengpässe verhindern und bestenfalls zugleich Kosten sparen. Die Sache mit den reduzierten Kosten funktioniert möglicherweise aber nicht immer.

Sind die Versorgungszentren Kostenfallen?

Zumindest in Bayern rechnen MVZ „bei gleicher Patientenstruktur, gleichen Vorerkrankungen und gleichen Behandlungsanlässen“ höhere Honorarvolumina ab. Im Vergleich zu Einzelpraxen liegt ihr Honorarvolumen um 5,7 Prozent höher. Bei Versorgungszentren im Besitz von Finanzinvestoren waren es sogar 10,4 Prozent. Das ergab eine Studie des IGES-Instituts für die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB). Kritik an der Studie kam zum Beispiel von der Ärzte-Zeitung. Diese Kritik wurde anschließend wiederum von der KVB kritisch beantwortet.

Offen bleibt, ob die bayerischen Ergebnisse auf das gesamte Bundesgebiet übertragbar sind. Selbst, wenn dem so wäre, spräche das aber nicht grundsätzlich gegen Medizinische Versorgungszentren. Es spräche aber eventuell für einen Regulierungsbedarf, damit wirtschaftliche Interessen nicht auf Kosten der medizinischen Versorgung bedient werden.

Regulierung ist wichtig. „Aber die Hürden für eine MVZ-Gründung dürfen dabei nicht zu hoch werden, um die Vorteile für die Gesellschaft zu erhalten“, sind sich Anne Hätty und Christian Wagner sicher. Für die Politik könnte das zu einem Balanceakt werden. Ihn zu meistern, wäre eine schwierige Aufgabe und zugleich ein wichtiger Schritt für die Zukunft medizinischer Versorgung in Deutschland. Dass die Politik nötige Veränderungen initiieren kann, hat sie beispielsweise mit dem neuen Gesellschaftsrecht bewiesen, das Anfang 2024 in Kraft tritt. Es bietet Chancen für Praxen und MVZ, sich vertraglich besser aufzustellen.

Bildnachweis: Bild 1: ©iStock/skynesher, Bild 2: ©iStock/alvarez

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