Werben für die Fernbehandlung: Was ist legal?

Der Gesetzgeber setzt der Werbung für eine Fernbehandlung enge Grenzen. Das belegen u. a. zwei aktuelle Urteile. Wer trotzdem munter Reklame macht, kann gleich gegen mehrere Paragrafen verstoßen. Eine fundierte juristische Beratung ist in jedem Fall eine gute Idee.

Unerlaubte Allianzen

2020 begann die niederländische Shop Apotheke (Onlineapotheke) eine Kooperation mit der in Großbritannien sitzenden Online-Arztpraxis Zava. Bei Zava erhält ein Patient einige medizinische Leistungen bereits nach Ausfüllen eines Online-Fragebogens. Zwei Apothekenverbände klagten aufgrund der Kooperation gegen Shop Apotheke vor dem Landgericht Köln.

Das Landgericht untersagte der Onlineapotheke 2021 die damals bestehende Kooperation mit Zava. Darüber hinaus verbot es ihr im Urteil vom 19. Oktober 2021 (AZ: 31 O 20/21) eine Werbung für medizinische Fernbehandlungen, die sich „im Ausfüllen eines Fragebogens“ erschöpfen. Dem Gericht fehlte darüber hinaus der Hinweis, dass Zava seinen Sitz nicht in Deutschland hat. Es stützte sich bei seinem Urteil u. a. auf Paragraf 11 des Apothekengesetzes. Der Paragraf verbietet es Apothekern (mit Ausnahmen), Ärzten Patienten zuzuführen.

Christian Wagner, Mitgründer von mediorbis, Fachanwalt für Medizinrecht und Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag, unterstreicht die Bedeutung des Apothekengesetzes für den Fall: „Wenn Apotheker auf einen Fernbehandlungsdienst aufmerksam machen, müssen sie gleichwertig, klar und unmissverständlich auf die Möglichkeit hinweisen, einen stationären Arzt zu konsultieren.“ Shop Apotheke ging nach dem Urteil des Landgerichts Köln in Berufung und scheiterte 2022 erneut – in Runde 2 beim Oberlandesgericht Köln.

Mehrere Gesetze sind relevant

Neben dem Apothekergesetz sind weitere Gesetze relevant, wenn für Fernbehandlungen geworben wird. Mit dem verschwiegenen Zava-Hauptsitz in Großbritannien verstieß Shop Apotheke z. B. gegen Paragraf 5a (Irreführung durch Unterlassen) des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Mit ihrer Werbung für eine medizinische Fernbehandlung via Online-Fragebogen hat die Onlineapotheke zusätzlich Regeln aus dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) verletzt. Paragraf 9 des HWG erklärt eine Werbung für eine Fernbehandlung grundsätzlich für unzulässig. Er definiert aber Ausnahmen für Fälle, in denen „nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen“ nicht erforderlich ist.

Werbung für Schweizer Ärzte

Schweiz - Flagge - Stethoskop Symbol für Telemedizin Schweiz

Ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz sah auch der Bundesgerichtshof, dieses Mal in dritter Instanz, in der Klage gegen einen privaten Krankenversicherer. Der hatte eine Fernbehandlung u. a. mit folgenden Worten angepriesen: „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App“. Die behandelnden Ärzte saßen in der Schweiz, wo die Telemedizin anderen Regeln als in Deutschland folgt. Aus Sicht des BGH spielt das aber keine Rolle. Das Schweizer Berufsrecht für Ärzte definiere keine „allgemein anerkannten fachlichen Standards“, urteilt das Gericht. Deshalb greift Absatz 2 im Paragraf 9 HWG nicht.

Für Christian Wagner ist die BGH-Entscheidung ebenso richtig wie gut begründet. „Werbung für Fernbehandlungen darf keine übertriebenen Erwartungen oder falsche Hoffnungen bei Patienten wecken“, sagt er. Auf der anderen Seite hält er es für wichtig, dass die Anbieter dieser Behandlungen den rechtlichen Rahmen ausschöpfen, um für ihr Angebot zu werben.

Die Fernbehandlung kann ein wichtiger Baustein in einem modernen deutschen Gesundheitssystem werden. Das funktioniert aber nur, wenn sie durch rechtssichere Werbung bekannter wird und die Akzeptanz für diese Art der Behandlung weiter steigt. Christian Wagner trägt mit seiner Arbeit als Fachanwalt für Medizinrecht dazu bei, Mandanten diese rechtssichere Werbung zu ermöglichen.

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Müssen Bewertungsportale Arztprofile (auf Wunsch) löschen?

Alles begann beim Landgericht

Die Vorgeschichte des OLG-Urteils beginnt beim Münchner Landgericht mit der Klage von drei Ärzten. Sie forderten die Löschung ihrer Jameda-Basisprofile. Jameda legt solche Profile von Ärzten an, ohne deren Einverständnis einzuholen. Patienten können die Mediziner dort anhand verschiedener Kriterien wie Behandlung, Aufklärung und Freundlichkeit bewerten. Tatsächlich verurteile das Landgericht Jameda schon 2019 dazu, die Basisprofile zu löschen (Quelle).

Einem der Ärzte reichte dieses Urteil allerdings nicht. In einem Berufungsverfahren verlangte er ein weiterreichendes Verbot für Jameda, zukünftig ein neues Profil von ihm anzulegen. Und tatsächlich verbuchte er beim OLG München zusätzliche Erfolge. Das Urteil des OLG listet viele der Vorteile auf, die Jameda zahlenden Kunden, nicht aber den Inhabern eines Basisprofils gewährt. Und solange diese Vorteile bestehen, darf Jameda kein neues Basisprofil des Arztes ohne sein Einverständnis anlegen. Damit entfällt auch die Basis für eine Bewertung auf Jameda.

Bewertungen beeinflussen die Arztwahl

Bewertungen sind relevant für Patienten. Laut einer Studie sind sie im Durchschnitt für 34 Prozent ein wichtiges Kriterium bei der Arztwahl. Besonders wichtig sind sie bei den 16- bis 29-Jährigen (40 Prozent), aber auch 25 Prozent der über 65-Jährigen vertrauen auf sie. Ein Problem sind gekaufte Bewertungen, von denen unter anderem Portale zur Ärztebewertungen wohl nicht immer frei sind. Das lässt zumindest ein Radiofeature aus dem Februar 2021 vermuten. Jameda widerspricht möglichen Vorwürfen auf seiner Internetseite zur Qualitätssicherung. Man veröffentliche und prüfe Be­wertungen auf Basis rechtlicher Vorgaben, heißt es dort.

Ärzte erhalten die Hoheit über ihre Daten zurück

Gerichtshammer und Stethoskop

Christian Wagner begrüßt das Urteil des OLG München. Er ist Fachanwalt für Medizinrecht und Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag. Aus seiner Sicht trägt die Entscheidung des Gerichts dazu bei, dass Ärzte die Hoheit über ihre Daten zurückerhalten. Jameda darf laut OLG-Urteil zum Beispiel kein Profil ohne Einwilligung des Klägers veröffentlichen, wenn zahlende Premiumkunden (in der Art und Weise wie bisher) in ihrem Profil mehr Leistungen angeben können als nicht zahlende. Allerdings veraltet das Urteil möglicherweise bereits durch kleinere Änderungen in den Jameda-Leistungen für Premiumkunden. Darüber hinaus muss man abwarten, ob das Verbot bestehen bleibt. Die Sache liegt jetzt beim Bundesgerichtshof.

Völlig neu ist der Streit um das Bewertungsportal nicht

Der Bundesgerichtshof hatte Ende 2021 bereits einen ähnlichen Fall beurteilt. Auch in ihm ging es unter anderem um unterschiedliche Möglichkeiten der Leistungspräsentation für zahlende und nicht zahlende Kunden auf Jameda. Damals begründete diese Ungleichbehandlung aus Sicht des BGH keinen Unterlassungsanspruch. Jameda muss den Basiseintrag eines Arztes deshalb also nicht löschen, wenn der Arzt es verlangt. Wie wird der BGH das Urteil des OLG München bewerten? Ähnlich? Anders? Es bleibt schwierig. Bis auf Widerruf ist es wohl abhängig vom individuellen Fall, wann Ärzte die Löschung ihres Profils bei Jameda einfordern können. Christian Wagner sieht in den bisherigen Urteilen des Landgerichts und Oberlandesgerichts München dennoch positive Signale. Sie könnten Ärzten durchaus Mut machen, gegen unerwünschte Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen.

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