Im konkreten Fall ging es um einen 600-köpfigen Patientenstamm in Bayern. Der Anlass des Streits war eine Auseinandersetzung über den Kaufvertrag, zu dem auch die Vereinbarung gehörte, dass alle Anrufe an die Praxis des Käufers umgeleitet werden sollten. Und: Auch die Besucher der Internetseite des Verkäufers sollten auf die Seite des Käufers weitergereicht werden.
An die Krankenunterlagen war ebenfalls gedacht worden: Sie hätten, die schriftliche Zustimmung der Patienten vorausgesetzt, ebenfalls den Weg in die neue Praxis angetreten. Unterrichtet werden sollten die Patienten durch eine Empfehlung per Rundschreiben. Für das ganze Paket wurde ein Preis von 12.000 Euro vereinbart. Das große Aber folgte nach der Unterzeichnung, denn die Verkäuferin wandte sich an die Landeszahnärztekammer, um zu fragen, ob dieses Vorgehen so rechtlich sicher sei. Die Kammer sah das nicht so und die Verkäuferin weigerte sich deshalb, den Vertrag zu erfüllen.
Ein Patientenstamm ist bares Geld wert
Christian Wagner, Gründer der Anwaltsplattform advomeda und Justiziar von mediorbis, sieht im Vorgehen der beiden Vertragsparteien schon den entscheidenden Fehler: „Sicher, ein Patientenstamm mit allen Kontaktdaten ist bares Geld wert und der Wunsch, die Daten zu verkaufen, verständlich, aber jeder Arzt, jede Ärztin weiß, wie streng gefasst das Berufsrecht hier ist. Es wäre hier unbedingt notwendig gewesen, sich zuerst bei der Kammer oder bei spezialisierten Juristen zu erkundigen, bevor der Vertrag überhaupt aufgesetzt wird.“
Klares Urteil des Bundesgerichtshofs
Das sah der Käufer offenbar anders, denn er zog vor das Landgericht Regensburg, das die Klage abwies und auch die Berufung beim Oberlandesgericht Nürnberg blieb erfolglos. An letzter Stelle entschied dann der Bundesgerichtshof: Ein alleiniger Verkauf des Patientenstamms ist nach § 134 BGB in Verbindung mit § 139 BGB nichtig, weil er gegen das Berufsrecht verstößt. Genau geht es um hier um den § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte: „Dem Zahnarzt ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“
Christian Wagner kann der Einschätzung der Gerichte uneingeschränkt folgen: „Beide Parteien haben gegen dieses standesrechtliche Verbot eindeutig verstoßen, und zwar auf gleich vier Feldern: Mit dem Verkauf der Daten, der Rufumleitung per Telefon, der Umleitung auf die Website des Käufers und dem empfehlenden Rundschreiben. Oder um es kurz zu fassen: Ein Verkauf mit vielen Fehlern, die mit einer fachanwaltlichen Beratung hätten vermieden werden können.“
Damit Konsultationen und Befundübermittlungen bei einer unklaren Diagnose oder Therapieempfehlung schneller vorgenommen werden können, haben AOK PLUS und die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen mit dem eKonsil PLUS eine – nach eigenen Angaben – sichere Form digitaler Kommunikation geschaffen. eKonsil PLUS wird den Thüringer Haus- und Fachärzten seit diesem April als eine indikationsunabhängige Möglichkeit angeboten, mit der sich die teilnehmenden Mediziner im vorhandenen Praxisverwaltungssystem beraten können.
Elektronische Konsilanfrage
Die Vorteile sollen dabei auf Seiten der Patienten und Ärzte liegen. Möchte etwa ein behandelnder Arzt in die individuelle Behandlung seines Patienten die Meinung eines Facharztes einbeziehen, kann er auf elektronischem Weg eine Konsilanfrage an eine Kollegin oder einen Kollegen seiner Wahl stellen. Die fachliche Bewertung seiner Anfrage erfolgt online und je nach Dringlichkeit innerhalb von fünf Werktagen. Die körperliche Anwesenheit des Patienten beim Facharzt ist im ersten Schritt nicht erforderlich. Durch die gemeinsame medizinische Einschätzung der Ärzte, kann schnell die richtige Diagnose gestellt und eine zielgerichtete Weiterbehandlung des Patienten eingeleitet werden.
Zeit und Wege sparen
„Wir ermöglichen mit diesem neuen Verfahren eine verbesserte Versorgung unserer Versicherten. Den Patienten wird der oft weite Weg im herkömmlichen Überweisungsverfahren bei einer unsicheren Diagnose erspart. Warte- und Wegezeiten für Arztbesuche entfallen“, nennt Rainer Striebel, Vorstand der AOK PLUS, einen Vorteil des eKonsils. „Zudem werden unnötige Facharztbesuche und Mehrfachuntersuchungen vermieden – das entlastet die Patienten, aber auch die Arztpraxen. Diese elektronische Konsillösung unterstützt die haus- und fachärztliche Versorgung in Thüringen und hilft, sie langfristig zu sichern.“ Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen sieht die Vorteile nicht nur im Bereich der Patientinnen und Patienten: „Digitalisierung ist dann sinnvoll, wenn sie einen Mehrwert verspricht. Mit dem eKonsil geben wir Ärztinnen und Ärzten eine Möglichkeit zur Arbeitsentlastung und Vernetzung“, so Dr. Annette Rommel, 1. Vorsitzende der Vereinigung.
Eine Einschätzung, die Nabil Khayat, Founder mediorbis, teilt: „Wenn die Digitalisierung ausgebaut werden soll – und das muss sie – müssen die Lösungen überzeugen. Im Fall von eKonsil PLUS scheint das der Fall zu sein: Patienten und Ärzte profitieren von dieser Lösung. Dazu können Fehldiagnosen verhindert werden und es wird Zeit und Geld gespart. Besser geht es nicht.“
Teilnahme noch nicht für alle möglich
Zu den Voraussetzungen zur Teilnahme heißt es bei der Kassenärztliche Vereinigung Thüringen: „Teilnahmeberechtigt sind alle Ärzte, die als Vertragsarzt im Bereich der KVT niedergelassen sind, sofern Sie die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen und ihre Teilnahme gegenüber der KVT erklärt haben. Die Übermittlung einer Konsilanfrage / -antwort ist unter Angabe der Abrechnungsziffer 99226 oder 99227 gegenüber der KVT abzurechnen und wird jeweils in Höhe von 7,50 Euro vergütet … Im ersten Schritt steht das eKonsil PLUS Ärzten zur Verfügung, die das PVS tomedo® der zollsoft GmbH nutzen. Die KVT und die AOK PLUS sind aktuell mit weiteren PVS-Herstellern im Gespräch.“
Bereits zum dritten Mal hat die Deutsche Apotheker- und Ärztebank Ärzte, Zahnärzte und Apotheker sowie Studenten der Heilberufe zu ihren Prioritäten mit Blick auf den eigenen privaten und beruflichen Alltag befragt. Den höchsten Stellenwert hat danach wieder das Familienleben. Das geben 92 Prozent der Befragten an. Doch in den vergangenen Jahren wurde die finanzielle Sicherheit zunehmend wichtiger: 2016 waren es 85 Prozent, sechs Jahre später schon 91 Prozent.
Die Autoren der Studie vermuten, dass für die steigende Bedeutung der finanziellen Sicherheit nicht nur die Coronakrise verantwortlich ist. Dazu zeigt sich, dass vor allem das Privatleben gelitten hat: Die Befragten sehen sich nicht nur beim Reisen (80 Prozent), sondern vor allem in ihrer Freizeit (60 Prozent), bei der gesunden Lebensweise und Fitness (37 Prozent) sowie beim Familienleben (31 Prozent) und ihrem gesellschaftlichen Engagement (28 Prozent) beeinträchtigt.
Jeder 5. Angestellte plant eine Niederlassung
Nach den Vorhaben für die nächsten drei Jahre gefragt, antworten 22 Prozent der angestellten Heilberufler der eigenen Niederlassung oder Selbständigkeit. In Summe planen 32 Prozent einen Karrieresprung, aber für ein Drittel spielt auch die Kindererziehung eine wichtige Rolle. Die Pläne der Älteren sehen (naturgmäß) anders aus: 29 Prozent bereiten sich auf den Ruhestand vor.
Bürokratie, Digitalisierung, Fachkräftemangel
Der Wunsch nach weniger Dokumentation und Verwaltungsarbeit bleibt weiterhin ganz oben auf der Liste – vor allem für selbständige Heilberufler (91 Prozent). Dazu sind weniger staatliche Regulierung und mehr Unabhängigkeit für die beruflichen Entscheidungen gefragt.
Digitales Datenmanagement und innovative Gesundheitsleistungen werden für immer mehr Medizinschaffende notwendig. Im Vergleich zu 2019 ist der Anteil der Befragten, die sich mehr davon wünschen, um 9 Prozentpunkte gestiegen. Und: Der Fachkräftemangel bleibt weiterhin ein Riesenthema. 67 Prozent der Befragten zählen ihn zu den größten Herausforderungen im Gesundheitssystem.
Für Studenten steht der Patient im Mittelpunkt
Auf die Frage nach Wünschen für die berufliche Zukunft nennen die meisten Studenten (75 Prozent) genug Zeit für die Patienten. An zweiter Stelle steht die Weiterbildung gefolgt vom Wunsch nach freier und flexibler Arbeitszeitgestaltung. Doch zunächst muss das Studium bewältigt werden und das scheint in den vergangenen Jahren immer frustrierender zu sein: Die Zufriedenheitswerte mit der Ausbildungssituation sind seit 2016 von 71 Prozent auf 44 Prozent drastisch zurückgegangen. Dabei sind 22 Prozent der Studenten sogar ausdrücklich unzufrieden. Zuletzt war es vor allem die Pandemie, die das Studieren erheblich erschwert hat, wie 62 Prozent der angehenden Akademiker sagen.
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„Die Zahlen machen deutlich, dass es vielfach darauf ankommt, die guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und dafür zu sorgen, dass die geleistete Arbeit geschätzt, unterstützt und honoriert wird“, sagt Anne Hätty, die als Headhunterin im medizinischen Bereich bei mediorbis arbeitet. Einen Blick in die Studie der apoBank legt sie allen Personalverantwortlichen an Herz: „Zu wissen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewegt, ist die zentrale Grundlage für eine gute Zusammenarbeit und eine hohe Zufriedenheit. Wenn es einen häufigen Wechsel gibt, dann wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch an individuellen Problemen einer Praxis liegen. Die lassen sich in der Regel sehr gut durch ein Coaching identifizieren.“
Neu in Deutschland: IT-Konzept zur Schlaganfall-Nachsorge
Ziele: mehr Lebensqualität, weniger Risiko
Entwickler des innovativen Konzepts für die Schlaganfall-Nachsorge sind Forschende an der Universität Leipzig. Ihre digitalen Lösungen ergänzen die Arbeit von Schlaganfall-Lotsen, die Patienten nach der Akutphase beraten – für eine möglichst hohe Lebensqualität und ein reduziertes Risiko von Folge-Ereignissen. Das Konzept besteht aus Portalen für Therapeuten, einer Begleitung der Patienten durch Schlaganfall-Lotsen und einer Patienten-App. Mit ihr kann ein Patient seinen Lotsen und den behandelnden Hausarzt direkt kontaktieren. Die App informiert ihn zusätzlich über rehabilitative Maßnahmen und erinnert ihn an die Einnahme von Tabletten.
Wichtig ist bei solch einer App der Fokus auf mögliche Handicaps eines Erkrankten. „Gesundheitliche Probleme wie Lähmungen und Sehstörungen des Nutzers muss man beim App-Design immer berücksichtigen“, sagt Uwe Brandt, UX/UI Designer und Art Director beim Health-Tech-Unternehmen mediorbis. Gesprochene Versionen von Inhalten sind eine der möglichen Lösungen für diese Herausforderungen.
Wearables können Körperfunktionen überwachen
Das digitale System zur Schlaganfall-Nachsorge leistet noch mehr und kann nach Absprache mit Patienten wichtige Körperfunktionen überwachen. Der Patient trägt dafür sogenannte Wearables (mobile Sensoren). Sie messen und überwachen Werte wie Herzfrequenz und Blutdruck und zeichnen darüber hinaus bei Bedarf Armbewegungen auf. So kontrollieren sie die Beweglichkeit beider Körperhälften bei einer halbseitigen Lähmung. Die aufgezeichneten Werte dienen unter anderem dem Hausarzt für eine optimierte Nachsorge-Therapie.
Schlaganfälle sind in Deutschland keine Seltenheit. Etwa 200.000-mal pro Jahr erkranken Menschen, die nie zuvor einen Schlaganfall erlitten haben. In weiteren 70.000 Fällen kommt es zu einem erneuten Schlaganfall (Quelle).
Die gute Nachricht: Die Neuerkrankungs- und Sterberate ist rückläufig. Die Chancen auf eine gute Genesung sind bei einem Schlaganfall jedoch abhängig von diversen Faktoren: Man muss die Krankheit möglichst schnell diagnostizieren und optimal therapieren. Das kann das Risiko eines erneuten Schlaganfalls um 80 % senken.
Aktuell ist der PostStroke-Manager in der Testphase
Der PostStroke Manager kann ein sehr wichtiger Schritt für die optimale Nachsorge-Therapie sein. „Das Konzept ist einzigartig in Deutschland“, sagt Professor Dominik Michalski. Michalski ist Oberarzt der Schlaganfall-Spezialstation an der Universitätsklinik Leipzig. Er gehört zu den drei Fachleuten, die das Projekt leiten. „Wegen der vielen Alleinstellungsmerkmale des Systems gibt es jetzt bereits großes, auch überregionales Interesse an dem Konzept“, ergänzt Professorin Galina Ivanova, die ebenfalls zum leitenden Team gehört.
Nach einem etwa dreimonatigen klinischen Vortest startete das Projekt Anfang 2022 in eine einjährige Machbarkeitsstudie. Sie soll die Praxistauglichkeit des digitalen Systems testen. Abhängig ist der Erfolg auch von der Frage, wie gut die Patienten die Patienten-App annehmen. Uwe Brandt weiß, was solch eine App leisten muss, um akzeptiert zu werden: dem Patienten Sicherheit und Hilfe im alltäglichen Gebrauch bieten, ohne dabei zu komplex zu sein. Wenn sie das schafft, steigert sie die Chancen auf ein erfolgreiches Projekt. Den Schlaganfall-Patienten in Deutschland wäre das sehr zu wünschen.
Eine wichtige – wenn nicht die wichtigste – Basis ist die IT-Sicherheitsrichtlinien gemäß § 75b SGB V. Sie legt fest, welche Anforderungen Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten erfüllen müssen – differenziert nach Praxisgröße und IT-Infrastruktur. Zur IT-Sicherheitsrichtlinien kommen noch weitere Gesetze und Verordnungen, die ins Gewicht fallen:
So weit, so gut, so weit so klar. Im Praxisalltag aber spielen leicht nachvollziehbar ganz andere Dinge die großen Rollen und der Datenschutz gerät ganz leicht ins Vergessen.
Immer an die „Basics“ denken
Einfallstore für Cyberkriminelle sind oft alte Softwareversionen. Deshalb sollten alle – und das meint wirklich alle – Updates sofort aufgespielt werde. Das gilt für das Betriebssystem genauso wie für Office-Software, Browser oder Treiber. Weil der Verlust von Daten schnell eine Katastrophe werden kann, muss es ein Backup-Konzept geben, das am besten von professionellen IT-Dienstleistern wie mediorbis eingerichtet und betreut wird.
Daneben gilt es auch den gesunden Menschenverstand aktuell zu halten. Das gilt vor allem für Schadsoftware, die per E-Mail mit Dateianhang in die Praxis kommt. Den Datenkriminellen kommt dabei zugute, dass E-Mail-Adressen ohne viel Aufwand gefälscht werden können. Bei auch nur im Ansatz verdächtigen Mails gilt es immer im E-Mail-Programm die komplette E-Mail-Adresse anzusehen oder versuchen, telefonisch zum Versender Kontakt aufzunehmen, bevor ein Anhang geöffnet wird.
Beispiele von der KBV aus der Praxis
Neben dem Versenden von Schadmails gehen die Cyberkriminellen mittlerweile noch viel weiter und vor allem geschickter vor. Die KBV hat dazu ein Merkblatt veröffentlicht, das sehr lesenswert ist: IT-Sicherheit: Praxen im Visier von Hackern und Trojanern – Beispiele und Tipps zur Prävention.
Eingegangen wird dabei zum Beispiel auf Betrugsversuche per Anruf, bei dem sich die Anrufer als Mitarbeiter von Softwareherstellern ausgeben und vor einem Virenbefall warnen. Dabei bieten Sie an, die Praxis-PC per Fernwartung zu prüfen und können so – die Zustimmung durch die Praxis vorausgesetzt – Zugang bekommen. Neben diesem Fall von Support-Betrug durch Anruf werden noch vier weitere Fälle vorgestellt, die aus dem Alltag stammen:
Unberechtigter Zugriff auf DSL-Router
Support-Betrug durch Warnmeldung im Browser
Digitaler Einbruch über Fernzugang der Praxis
Verlust einer unverschlüsselten Datensicherung
Und was empfiehlt die KBV? Profis, Profis, Profis
Bei ihrer Empfehlung, wie sich solche Betrugsversuche vereiteln lassen, ist die KBV klar: „Am besten wird ein professioneller IT-Dienstleister beauftragt, eine entsprechende IT-Sicherheitsarchitektur in der Praxis aufzubauen … Auch treffen sie Vorsorge, damit Schadsoftware gar nicht erst auf den Praxis-Computer gelangt.“
Ein Tipp, dem Christian Wagner, Gründer der Anwaltsplattform advomeda und ein Experte auf dem Gebiet des Datenschutzes ist, uneingeschränkt zustimmt. Er weiß, dass Ärztinnen und Ärzte, die die Daten ihrer Patienten nicht schützen, datenschutzrechtlich, zivilrechtlich, strafrechtlich und berufsrechtlich belangt werden können: „Und um es klar zu sagen: Wir sprechen hier nicht über kleine Regelverstöße oder Bagatelldelikte.“
Medizinische Fachangestellte ist der beliebteste Ausbildungsberuf bei jungen Frauen in Deutschland. Auf Platz 3 folgt – fast auf dem Fuße – der Beruf der Zahnmedizinischen Fachangestellten. Trotzdem: Den Arzt- und Zahnarztpraxen droht der Fachkräftemangel. Die Auszubildenden wechseln nach Abschluss lieber ins Krankenhaus oder orientieren sich gleich ganz neu. Die, die schon länger im „Job“ sind, hält es vielfach auch nicht mehr. Sie wechseln in andere Praxen oder ins Krankenhaus, wo die Bezahlung besser ist. Das PKV Institut, ein Anbieter von Online-Seminaren und Fernlehrgängen für Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte in Deutschland, hat nachgefragt: Wie attraktiv ist der Beruf derzeit? Und was können Praxen tun, um gute MFAs und ZFAs zu halten?
Kündigungen gehören vielfach zum Alltag
45 % der im Rahmen der Studie befragten MFAs und ZFAs haben in den vergangenen zwölf Monaten Kündigungen von Teamkolleginnen miterlebt. 45 % der Befragten gaben außerdem an, selbst unzufrieden im Job zu sein. Warum das so ist, beantwortete eine der Befragten aus einer Praxis für Strahlentherapie und Radioonkologie in Hildesheim so: „Unser Beruf war schon immer stressig. Aber seit Beginn der Pandemie arbeiten MFAs und auch ZFAs an der Grenze der Belastbarkeit. Dafür wünsche ich mir mehr Wertschätzung aus der Politik und auch innerhalb der Gesellschaft.“
Ein Problem: das liebe Geld
Die Bezahlung von Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten bei niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten ist dabei ein zentrales Problem: MFAs und ZFAs in Kliniken verdienen oft mehr. Und: Auch Verwaltungsberufe im Gesundheitswesen werden allgemein höher vergütet. Damit nicht genug, tritt ab September 2022 der neue Mindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte mit einjähriger Ausbildung in Kraft. Auch diese Absolventen werden ein besseres Einstiegsgehalt haben als manche MFA.
Ein weiteres Problem: die Patienten
Eine faire Bezahlung ist wichtig, doch neben der finanziellen Honorierung wünschen sich viele der befragten MFAs und ZFAs – wie beschrieben – vor allem mehr Wertschätzung. Während 52 % der Befragten angaben, Wertschätzung innerhalb ihres Teams zu erfahren, erleben mit 35 % deutlich weniger der Befragten auch ihre Praxisleitung als wertschätzend. Viele MFAs und ZFAs berichten im Rahmen der Umfrage auch von zunehmend respektlosem Verhalten durch Patienten.
Und was können die Praxisleitungen tun?
Etwa die Hälfte der Befragten gaben an, Zusatzleistungen in Form von betrieblicher Altersvorsorge, Gesundheitsförderung, Fahrtkostenzuschüssen und Ähnlichem zu erhalten. Nur 35 % arbeiten laut Umfrage in Praxen, die mit flexiblen Arbeitszeitmodellen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. 37 % der Befragten haben eine Praxisleitung, die sie in ihrer gezielten individuellen Fort- und Weiterbildung unterstützt.
Für kaum ein Drittel der Befragten stehen regelmäßige Teamevents auf dem Plan. „Zusätzliche Leistungen, Work-Life-Balance und mehr Geld sind wichtig, aber bei weitem nicht alles: Es kommt vor allem auch auf den guten und respektvollen Umgang miteinander an“, sagt Anne Hätty. Die Headhunterin im medizinischen Bereich bei mediorbis weiß, dass es auch gelebte Loyalität ist, die Mitarbeiterbindung schafft. Und: „Wenn die Fluktuation hoch ist, sollte zuerst eine Analyse der IST-Situation in der Praxis erfolgen, denn ein häufiger Wechsel weist zumeist auf strukturelle Probleme hin. Sollte sich hier Handlungsbedarf ergeben, dann helfen professionelle Coaches gezielt weiter.“
Ein Tipp zum Schluss: In diesem thematischen Zusammenhang lohnt auch ein Blick in die Auswertung der Mitglieder-Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin: „2 Jahre Corona-Pandemie in den Berliner Praxen„.
Auf der „Karlsruher Konferenz 2022 – Nachhaltige Zahnmedizin“ berichtete die Fachärztin für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, von einer Vielzahl von Studien, die zeigten, dass der Klimawandel z. B. zu mehr Krebserkrankungen, zu Schäden am Herz und den Blutgefäßen oder zu Diabetes führt. Der Hitze komme in diesem Zusammenhang dabei eine besondere Bedeutung zu, so die Direktorin der Ambulanz für Umweltmedizin am Universitätsklinikum Augsburg.
Durch die Erwärmung nehmen etwa Belastungen durch Pollen zu – auch bisher unbekannter in unseren Breitengraden, wie der der Ambrosia. SARS-CoV2-Infektionen werden ihrer Aussage nach ebenfalls durch den stärkeren Pollenflug gefördert, denn der Blütenstaub schränke die Wirkung der Schleimhäute ein. Traidl-Hoffmann zog eine klare Bilanz: „Der Klimawandel ist ein medizinischer Notfall, die First Line, die Energiewende … Das BIP sinkt um fünf Prozent, wenn wir Klimaschutz betreiben. Es sinkt um 20 Prozent, wenn wir nichts tun.“
Mit dem Überblick fängt es an
Auch wenn es beim Klimaschutz nicht um Geld gehen kann, hilft ein Blick auf die Kostenstruktur der eigenen Praxis: Stichwort Stromverbrauch. Da lässt sich manches blaue Wunder erleben, denn bei den Energiekosten kann der Anteil des Stroms bei mehr als 50 % liegen. Das ist keine gute Nachricht, aber eine, die sich ändern lässt. Stichworte sind hier eine Beleuchtung mit moderner Energietechnik, die den Stromverbrauch um bis zu 80 % im Jahr senken kann.
Dazu gehören nicht nur Energiespar- und LED-Lampen, sondern vor allem Dämmerungsschalter und eine Beleuchtung, die z. B. über Bewegungsmelder gesteuert wird. Und auch wenn es etwas Mühe bedeutet: Am meisten Strom sparen Geräte dann ein, wenn sie ausgeschaltet sind und nicht im Stand-by-Betrieb laufen. Dazu eignet sich schon eine ganz einfache Steckerleiste mit Netzschalter, um zum Beispiel im Büro alle Geräte auf einen Streich vom Strom zu trennen. Beim Neukauf sollten nur Geräte in Betracht gezogen werden, die mit ihrem Energieeffizienz-Label punkten.
Heizen ist ein weiterer wichtiger Aspekt: Weder in der Nacht noch am Wochenende braucht es in der Praxis die Wohlfühltemperatur. Neben der geeigneten Technik gibt es einen zentralen Hebel, um konsequent Energie zu sparen: den Dienstplan. Eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter wird dafür verantwortlich gemacht, dass alle Energiesparmaßnahmen eingehalten werden.
Ein Beispiel aus der Praxis im Videoclip
Der Zahnarzt Dr. Hans-Georg Rollny – Inhaber der ersten zertifiziert klimaneutralen Zahnarztpraxis in Deutschland – berichtete auf der „Karlsruher Konferenz 2022“, wie überrascht er u. a. darüber war, wie viel Strom seine Praxis verbraucht hat. Sonnenschutzfolien an den Fenstern, neue Thermostate und Lampen in den Behandlungszimmern waren wichtige Punkte, um seine Praxis klimaneutral zu machen, berichtete er. Wie er vorgegangen ist, zeigt ein kurzer Beitrag auf YouTube.
Wege sind eine Ursache2.0
Dass der Gesundheitssektor für rund 5 % der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich ist, hat seine Gründe auch in den Wegen von Patienten und Mitarbeitern in die deutschen Praxen. Die lassen sich nur schwerlich kürzen oder gar verhindern. Was sich aber ändern lässt, sind die Transportmittel und hier kann jede Praxis Angebote machen, die die Kohlendioxidemissionen deutlich verringern können: Dienstfahrräder und Fahrradständer, Ladestationen für die E-Mobilität oder Hinweise auf die Angebote des ÖPNV.
Checkliste „Nachhaltigkeit“
Einen praktischen Tipp hält der Co-Founder von mediorbis, Fabian Engelhardt, bereit. Als Ärzteberater und Mitglied im Bundesverband Freier Sachverständiger e. V. ist er unter anderem Geschäftsführer für die Beratungsgemeinschaft für Ärzte und Zahnärzte und empfiehlt die Website der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg: „Hier findet sich eine Liste, die den Umstieg zu mehr Nachhaltigkeit erleichtert und die sicher nicht nur Zahnärzten wertvolle Anregungen liefert. Dabei geht es nicht nur um den Stromverbrauch, sondern auch um die Materialwirtschaft, weniger Müll oder wie die Digitalisierung bei mehr Umweltschutz helfen kann.“
Die Existenzgründungsanalysen der Deutschen Apotheker- und Ärztebank zeigen den Unterschied zum Beispiel bei den Kaufpreisen für Zahnarztpraxen: Die durchschnittliche Zahnärztin bezahlte im Jahr 2020 für die Übernahme einer Einzelpraxis durchschnittlich 162.000 Euro. Die männlichen Kollegen von Frau Dr. med. dent. Musterfrau legten fast 90.000 Euro mehr auf den Tresen ihres Vorgängers. Aber während die Männer mit 251.000 Euro einen deutlich höheren Kaufpreis zahlten, sieht es bei den weiteren Investitionen in die übernommene Praxis anders aus: Hier lagen Gründerinnen mit 170.000 Euro über den Durchschnittsinvestitionen der Männer und gaben dafür im Schnitt sogar mehr als den Kaufpreis aus.
Frauen starten kleiner, sind aber offen
„Unsere Analysen zeigen seit Jahren, dass Ärztinnen und Zahnärztinnen, aber auch Apothekerinnen bei der Niederlassung zurückhaltender investieren“, sagt Daniel Zehnich, Bereichsleiter Konzernstrategie und Gesundheitsmarkt bei der apoBank. „Frauen übernehmen eher kleinere Praxen und Apotheken mit niedrigeren Kaufpreisen. Sie starten gerne klein, sind aber durchaus offen für zukünftige Kooperationen. Doch gleich in welcher Form, Selbständigkeit schafft immer Freiräume für mehr Selbstbestimmung und flexiblere Möglichkeiten der Berufsausübung, um beispielsweise die individuellen Vorstellungen vom eigenen Arbeitspensum zu realisieren.“
Bei den Hausarztpraxen ist die Lücke kleiner
Bei der Übernahme einer Hausarztpraxis liegt nach den Analysen der Deutschen Apotheker- und Ärztebank der Gender-Gap bei der Investition in eine bestehende Praxis im Zeitraum 2019/2020 bei knapp 23.000 Euro. Die Ärztinnen gaben durchschnittlich 159.900 Euro aus, die Männern 182.600 Euro.
Lieber allein ist die Ärztin dazu
Ein weiterer Unterschied zeigt sich zwischen den Geschlechtern, wenn es um Kooperationen geht: Ärztinnen starten häufiger als ihre männlichen Kollegen mit einer Einzelpraxis in die Selbständigkeit. Auch das hat die Deutsche Apotheker- und Ärztebank untersucht – in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung. Demnach haben – ähnlich wie in den Vorjahren – zwei Drittel der Praxisgründerinnen den Schritt in die Niederlassung allein unternommen, bei Männern waren es etwas mehr als die Hälfte.
Und die Apothekerinnen?
Hier zeigt sich ein ähnliches Bild: Frauen zahlten für die Übernahme ihrer ersten eigenen Apotheke mit 643.000 Euro im Schnitt etwas weniger als Männer mit 703.000 Euro. Bezogen auf die Übernahmepreise sind insgesamt aber für beide Geschlechter hochpreisige Apotheken ab 600.000 Euro von Interesse: Knapp jede dritte Existenzgründerin und gut jeder dritte Existenzgründer übernahm 2020 eine Apotheke in diesem Kaufpreissegment.
Die Praxis darf nicht nur zum Geldbeutel passen
Ärzteberater Mario Ammer, Inhaber der Greleo 360° Ärzteberatung und Co-Founder von mediorbis, sieht den Unterschied bei einer Investition in eine Praxis nicht allein im Kaufpreis, sondern im betriebswirtschaftlichen Modell: „Ob eine Praxis wirtschaftlich gut funktioniert oder nicht, hängt nicht von der Größe oder dem Kaufpreis ab. Es sind vor allem das eigene Konzept, der realistische Businessplan, der stichhaltige Finanzteil und die strategische Liquiditätsplanung. Dazu gehören öffentliche Darlehen des Bundes und der Länder – zum Beispiel über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die L-Bank oder die LfA Förderbank Bayern. Eine gute Beratung macht dazu den Unterschied, sie sollte zur Lebensplanung und zum Konzept des Existenzgründers passen, nicht umgekehrt.“
Im Sommer 2019 verließ Dr. Clemens Fuchs die Gemeinschaftspraxis, die er im baden-württembergischen Adelsheim mit Selma Akdere geführt hat. Ein Nachfolger? Nicht in Sicht. Selma Akdere führte die Praxis deshalb zunächst alleine weiter und suchte nebenbei weiter nach Unterstützung. Dabei war Geduld gefragt. Gefunden hat sie einen aussichtsreichen Kandidaten erst im November 2020.
Safet Ponik aus dem Kosovo arbeitete in den folgenden Monaten als Assistenzarzt in der Praxis. Er hat in seiner Heimat ein Medizinstudium abgeschlossen und kam 2014 nach Deutschland. Hier ließ er sich zum Facharzt für Allgemeinmedizin ausbilden. Seit Mai 2021 ist er fest angestellter Facharzt für Allgemeinmedizin in der Adelsheimer Praxis. Froh darüber war nicht zuletzt der Bürgermeister von Adelsheim (Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung). Der neue Facharzt stärkt die medizinische Versorgung in der kleinen Stadt.
Ausländische Ärzte und Fachärzte: Es werden mehr.
Geschichten wie die der Gemeinschaftspraxis in Adelsheim sind kein Einzelfall. Ärztliches Personal in Deutschland kommt immer häufiger aus dem Ausland. Bereits 2017 berichtete der Deutschlandfunk von der Lage in Mecklenburg-Vorpommern. Dort erreichte der Anteil ausländischer Ärzte im Durchschnitt damals 16 Prozent: bei steigender Tendenz. In der Asklepios Klinik Pasewalk stammte sogar etwa die Hälfte der 70 ärztlichen Vollkräfte aus dem Ausland.
Auch bundesweit steigt die Zahl berufstätiger ausländischer Ärzte deutlich. 2020 gab es 56.107. Ein Plus von 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 4.970 dieser Ärzte kamen aus Syrien, 4.514 aus Rumänien und 2.723 aus Griechenland (Quelle: Bundesärztekammer). Auf internationaler Ebene könnte das auf Dauer zu einer Herausforderung führen. Wie kann man den Zuzug von Ärzten nach Deutschland vereinfachen, ohne dabei die medizinische Versorgung im Herkunftsland auszutrocknen? Aber das … ist eine andere Geschichte.
Manchmal sind Behörden sehr langsam
Auch Medical Headhunter wie Anne Hätty von mediorbis blicken immer öfter ins Ausland, wenn sie Fachärzte für Kliniken und Praxen in Deutschland suchen. Sie nutzen Netzwerke in Staaten wie Kroatien und Serbien, um passende Kandidaten zu finden. Für manch einen sind die Hürden für einen erfolgreichen Start in Deutschland aber hoch. Wer als Arzt aus der EU kommt, absolviert „nur“ eine Fachsprachenprüfung. Ärzte aus Drittstaaten müssen dagegen zusätzlich eine Kenntnisprüfung ablegen, um die Qualität ihrer medizinischen Kenntnisse sicherzustellen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Problematisch sind mitunter die Wartezeiten bis zur Prüfung. Sie können zwölf Monate oder länger dauern (Quelle: Welt). Wird dringend ein Arzt gesucht, ist das zu lang. Das ist aber nicht die einzige Herausforderung.
Headhunting ist mehr als die Fachärzte-Suche
„Gerade bei der Vermittlung ausländischer Fachärzte haben wir Headhunter oft Zusatzaufgaben“, sagt Anne Hätty. Medical Headhunter sind die Schnittstelle zwischen potenziellen Arbeitgebern und Fachkräften. In dieser Funktion unterstützen sie beide Seiten auch bei Aufgaben wie der Wohnungssuche und kultureller Eingliederung. Hier sind die Kliniken und Praxen bisweilen aber auch selbst aktiv. Beispiel: die Berliner Charité. Dort unterhält man eine eigene „Geschäftsstelle interkulturelle Kompetenzen im Berliner Gesundheitswesen“. So etwas besitzt die kleine Stadt Adelsheim nicht. Eine Erfolgsgeschichte schrieb man aber auch dort. Vielleicht wird es ja noch ganz viele in Deutschland geben.
Die medizinische Versorgung in der Ukraine ist katastrophal, es fehlt an Personal, an Equipment, an Infrastruktur. Gleichzeitig kommen auch hierzulande täglich tausende Geflüchtete an, die dringend behandelt werden müssen: Ältere brauchen Medikamente wie Insulin oder Blutdrucksenker, manch Schwangere steht kurz vor der Entbindung. Wichtig ist da, dass die medizinische Versorgung für die Patienten möglichst unbürokratisch verfügbar ist. Ärzte-Berater Fabian Engelhardt von Mediorbis gibt Antworten auf die häufigsten Fragen hilfsbereiter Ärzte.
Wie läuft die Abrechnung mit den Krankenkassen?
„Grundsätzlich läuft die medizinische Versorgung hier in Deutschland nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“, erklärt Fabian Engelhardt. „Das heißt: Die zuständigen Kommunen stellen Behandlungsscheine aus, die die Flüchtenden beim Arzt vorzeigen. Niedergelassene Ärzte können also einfach darüber bei der KV abrechnen, zusammen mit der regulären Abrechnung.“
Das Bundesministerium für Gesundheit strebt an, dass die geflüchteten Ukrainer den gleichen Leistungsanspruch wie gesetzlich Versicherte erhalten.
Den Behandlungsschein bekommen die Geflüchteten bei der Kommune, in der sie gemeldet sind oder ihre Notunterkunft sich befindet. Engelhardt rät: „Falls möglich, kann das Praxispersonal bereits bei Terminvereinbarung fragen, ob ein Schein vorhanden ist und bei Bedarf den Patienten erklären, wo sie diesen erhalten. Das spart Durcheinander am Behandlungstag.“
Wie läuft die Notfall-Versorgung?
Engelhardt stellt klar: „Im Notfall ist die Versorgung natürlich auch ohne Behandlungsschein möglich. Das betrifft vor allem Krankenhäuser: Keine Frau in den Wehen muss nach Hause geschickt werden, weil der Schein fehlt.“ In dem Fall sollte das Personal an der Aufnahme die Patienten nach einem Ausweisdokument und dem Wohn- oder Aufenthaltsort fragen.
Es ginge darum, dass alles so unbürokratisch wie möglich verläuft. Engelhardt ergänzt daher: „Auch Medikamente werden über den normalen Rezept-Schein verordnet. Und für alle anderen Leistungen werden ebenfalls die gängigen Formulare verwendet.“ Für niedergelassene Ärzte bedeutet das also: Eigentlich geht alles genauso wie mit einem GKV-Patienten, außer dass es eben über den Behandlungsschein läuft. Auch Corona-Impfungen und -Tests sollen genauso abgerechnet werden wie mit Einheimischen: Kostenträger ist dann auch hier das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS).
Wo können Medikamente und medizinisches Equipment gespendet werden?
Geldspenden können häufig zielgerichteter eingesetzt werden als Medizin-Spenden.
Die Bundesregierung empfiehlt, statt eigens organisierter medizinischer Sachspenden Geld an etablierte Hilfsorganisationen wie das DRK, die Malteser oder die Johanniter zu spenden. „Das macht insofern Sinn, als diese den Bedarf vor Ort und die Auslieferung zielgerichtet koordinieren können und auch über Ausfuhrbestimmungen Bescheid wissen, etwa bei Betäubungsmitteln“, erklärt Fabian Engelhardt.
Trotzdem gibt es auch Möglichkeiten direkt Medizin oder Equipment zu liefern. Das polnische Gesundheitsministerium koordiniert Anfragen für medizinische Spenden durch Pharma- oder Medizintechnikunternehmen. Wer im größeren Umfang spenden möchte, kann sich in englischer Sprache an diese E-Mail-Adresse wenden lekidlaukrainy@mz.gov.pl.
Wie können Ärzte vor Ort helfen?
Einem Aufruf der Bundesärztekammer folgend haben sich über 1100 Ärzte gemeldet und bereit erklärt, vor Ort in der Ukraine zu helfen.
Jetzt organisiert das Auswärtige Amt in Kooperation mit dem Bundesgesundheitsministerium und der Bundesärztekammer, wo der Einsatz stattfindet. Denn: Natürlich sollen die Ärzte einerseits dort helfen, wo sie am meisten gebraucht werden, andererseits nicht ihr eigenes Leben dafür riskieren müssen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach formulierte das auf Twitter so: „Wir tun alles, diese Mediziner dorthin zu vermitteln, wo sie ohne unverantwortbare eigene Gefährdung helfen können.“
Fabian Engelhardt ist Co-Founder von mediorbis. Als Ärzteberater und Mitglied im Bundesverband Freier Sachverständiger e. V. ist er unter anderem Geschäftsführer für die Beratungsgemeinschaft für Ärzte und Zahnärzte (www.baz-finanzen.de).