Im Juni 2022 veröffentlichte die Stiftung Warentest (1) Ergebnisse eines Tests von vier telemedizinischen Plattformen für Videosprechstunden. Sechs Tester haben die Plattformen getestet. Zwei Tester gaben vor, an einer Blasenentzündung zu leiden. Zwei gingen aufgrund einer angeblichen Migräne in die Sprechstunde und zwei weitere wegen Bluthochdrucks. Bei jeder der drei Krankheiten simulierte einer der beiden Tester einen leichteren, der andere einen schwereren Fall.
Die Qualität der medizinischen Behandlung floss mit 55 Prozent in die Bewertung der Stiftung Warentest ein. Der Basisschutz persönlicher Daten stand für fünf Prozent. Jeweils 20 Prozent kamen durch Service (z. B. Terminservice, Rechnungsservice) und Handhabung in die Wertung. Der letztgenannte Bereich umfasst u. a. die intelligente Nutzerführung auf der Internetseite: von der Buchung bis zur eigentlichen Sprechstunde.
Uwe Brandt, UX/UI Designer und Art-Director bei mediorbis, weiß, dass sie für verschiedenste Nutzer gleich gut funktionieren muss: „Junge, Ältere, technikaffine und technikferne Menschen sollten auf der Plattform schnell und einfach eine Videosprechstunde buchen und nutzen können“, sagt Brandt.
Testsieger mit der Note „gut“ wurde bei der Stiftung Warentest die Plattform Telemedic. Die drei anderen Plattformen (Fernarzt, Kry und Zava) erhielten jeweils ein „befriedigend“. Zu den beanstandeten Mängeln gehörten Störungen beim Registrierungs- und Buchungsvorgang, fehlende Vorabinfos für den Arzt und mangelhafte Videotechnik.
Videosprechstunde: 69 Prozent würden sie weiterempfehlen
Aufgrund der beschriebenen Mängel ließe sich vermuten, dass Nutzer von Videosprechstunden mehrheitlich unzufrieden sind. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. In einer Umfrage von Bitkom Research (2) beurteilten 71 Prozent die Videosprechstunde als gut oder eher gut. 69 Prozent empfanden sie sogar als ebenso gut wie eine Sprechstunde in der Praxis. Und ebenfalls 69 Prozent würden sie Freunden oder der Familie empfehlen. Allerdings hat die Sache einen Makel. Die Zahl der Nutzer von Videosprechstunden ist noch immer relativ gering.
In der oben zitierten repräsentativen Bitkom-Umfrage aus dem März 2022 gaben insgesamt 18 Prozent der Befragten an, Videosprechstunden bereits genutzt zu haben. Das waren immerhin vier Prozentpunkte mehr als 2020 und 13 im Vergleich zu 2019. Trotzdem: Sehr viel ist das trotzdem noch nicht. Ähnliche Werte ergaben sich bei einer anderen Umfrage (3), deren Ergebnisse der Digitalverband Bitkom Ende November veröffentlicht hat. Die Gesamtquote lag hier bei 17 Prozent. Bei den Jüngeren (16 bis 29 Jahre) war es bereits jeder Vierte.
Ton- und Bildqualität sind entscheidende Kriterien
36 Prozent der Befragten aus der im November veröffentlichten Bitkom-Studie haben Videosprechstunden für sich grundsätzlich ausgeschlossen. Ärzte werden sie bis auf weiteres nicht für diese Art der Konsultation begeistern können. 43 Prozent der bisherigen Nichtnutzer gehören dagegen zu denen, für die eine Videosprechstunde künftig zumindest in Frage kommt.
Ideen, was Unentschlossene überzeugen könnte, lieferte die repräsentative Umfrage „Datapuls 2021“ (4) von Socialwave. Für knapp acht von zehn Befragten (79,1 Prozent) war eine für sie kostenlose Videosprechstunde Grundvoraussetzung. Fast ebenso viele (76,6 Prozent) legten Wert auf eine gute Bild- und Tonqualität. Neben der technischen Seite waren Patienten aber auch kritisch, wenn es um Diagnose und ärztliche Beratung am Bildschirm ging. Etwa drei Viertel (77,5 Prozent) glaubten, dass Ärzten über die Videosprechstunde kein vollumfängliches Bild von einer Krankheit möglich wird. Und 61,9 Prozent hielten die Arzt-Patienten-Beziehung in einer Videosprechstunde für unpersönlich.
In diesen Fällen sind Ärzte gefragt, Zweifel durch gute Videosprechstunden zu beseitigen. Sind die Praxen voll, sodass viel Zeitdruck herrscht, ist das mitunter nicht einfach. Fazit: Um die Beliebtheit der Videosprechstunde steht’s besser als vorher – aber noch nicht wirklich gut.
… so lässt sich – ganz grob – der E-Health Monitor 2022 von McKinsey auf den Punkt bringen. Die Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen, den DiGA, und Anwendungen der Telemedizin nimmt zu. Zu den stolzen Zahlen gehört auch, dass 96 % der Arztpraxen und 99 % der Apotheken an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind. Aber: Jede zweite Praxis beklagt mindestens einmal wöchentlich einen technischen Fehler. Trübselig wird der Blick, wenn die elektronische Patientenakte – kurz ePA – in den Fokus kommt: Weniger als 1 % der gesetzlich Versicherten nutzen die ePAs.
Das E-Rezept zündet nicht
Dabei steht die ePA seit Januar 2021 allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung. Die Versicherten besitzen dabei die „Datenhoheit“ über ihre ePA und entscheiden, welche Leistungserbringer Zugriff auf die hochgeladenen Befunde, Therapiemaßnahmen oder Behandlungsberichte erhalten sollen. Bislang ist die Nutzung für Versicherte freiwillig und in Summe wurden nur 135.000 Dokumente in die ePA geladen. Ähnlich sieht es beim E-Rezept aus. Bis Anfang November 2022 sind rund 550.000 E-Rezepte verschickt worden. Eine Zahl, die bei 760 Millionen pro Jahr kaum nennenswert ist.
„Die ePA und das E-Rezept sind die beiden Beine, auf denen die Digitalisierung des Gesundheitswesens stehen muss. Wenn die Patienten sie nicht nutzen wollen oder nutzen können, dann stimmt etwas nicht – entweder an den Lösungen, an der Kommunikation oder an beidem“, kommentiert Nabil Khayat den neuen E-Health Monitor 2022. Und der Founder von mediorbis ergänzt: „Datenschutz und technische Sicherheit sind absolut wichtig – keine Frage. Was mir aber vor allem fehlt, ist die Begeisterung für neue und digitale Lösungen, weil sie geeignet sind, vielen Menschen besser und einfacher zu helfen als bisher.“
Digitale Services: Es geht bergauf
Besser sieht die Entwicklung in anderen Bereichen aus, denn insgesamt bietet weit mehr als die Hälfte der Hausarztpraxen in Deutschland digitale Services an. Der Großteil entfiel 2021 auf Videosprechstunden (37 %) und Online-Terminvereinbarungen (21 %). Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 3,5 Millionen Videosprechstunden von Vertragsärzten abgerechnet – ein Anstieg von 29 % gegenüber dem Vorjahr. Dazu stehen in Deutschland mehr digitale Gesundheits-Services zur Verfügung als im vergangenen Jahr. Beispiele sind Online-Apotheken-Services, Gesundheitsportale oder Apps zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten. Der Anteil der Nutzer von Online-Gesundheitskursen hat sich etwa im vergangenen Jahr auf 31 % nahezu verdoppelt.
Der eHealth Monitor
Ergänzend zu seinen Analysen bietet der E-Health Monitor zahlreiche Gastbeiträge zum Thema E-Health in Deutschland an. Thematisiert werden die vielfältigen Chancen, aber auch die Herausforderungen, die mit dem digitalen Wandel verbunden sind. Der Input kommt dabei von Institutionen wie der AOK Bayern, der gematik oder dem Bundesverband Managed Care und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung.Der „E-Health Monitor 2022“ mit seinen weit über 200 Seiten erscheint auch in diesem Jahr wieder als gebundenes Buch bei der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft (ISBN 978-3-95466-759-8) und lässt sich als eBook gratis herunterladen: mck.de/ebook.
Bei der Befragung geht es um Erfahrungen und Erwartungen, um Potenziale und Hemmnisse der Praxen an die Digitalisierung. Mit diesem PraxisBarometer fragt die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits zum fünften Mal den Stand der Digitalisierung in den Praxen ab. Dazu werden die Vertragsärzte und -psychotherapeuten vom IGES Institut angeschrieben, das die Erhebung seit 2018 im Auftrag der KBV jährlich umsetzt und wissenschaftlich begleitet. Dabei sollen sich die Ärzte und Psychotherapeuten auch dazu äußern, wie bereits vorhandene digitale Anwendungen im Praxisalltag funktionieren.
Erkenntnisse sind essentiell für Forderungen an Politik und Industrie
Die Befragungsergebnisse sollen die KBV dabei unterstützen, die Digitalisierung im Sinne der niedergelassenen Ärzte zu gestalten. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel appellierte deshalb an die angeschriebenen Ärzte und Psychotherapeuten, sich auch an der Befragung zu beteiligen. „Die Erkenntnisse helfen dabei, digitale Anwendungen weiterzuentwickeln. Auch für die Forderungen an die Politik und an die Industrie sind sie essenziell“, betonte er und fügte hinzu: „Digitale Angebote müssen auf die Bedürfnisse der Praxen zugeschnitten sein.“
Fragebogen bis zum 2. Oktober ausfüllen
Die vom IGES Institut angeschriebenen Praxen können den Fragebogen bis zum 2. Oktober online ausfüllen. Wenn gewünscht, kann die angeschriebene Praxis den Fragebogen auch in Papierform anfordern und beantworten. Die Ergebnisse werden voraussichtlich Anfang 2023 anonymisiert veröffentlicht. Aber: Teilnehmer der Befragung können auf Wunsch ihre Kontaktdaten hinterlassen, um im Anschluss an vertiefenden Fokusgruppeninterviews teilzunehmen. Ärzte und Psychotherapeuten, die jetzt nicht angeschrieben wurden, erhalten voraussichtlich ab Anfang Oktober in der zweiten Runde ebenfalls die Möglichkeit, online an der Befragung teilzunehmen.
Digitale Prozesse laufen immer noch nicht rund
An der vergangenen Umfrage beteiligten sich rund 2.800 Praxen in Deutschland. Das Ergebnis: Zwar zeigten sich die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten der Digitalisierung offen gegenüber, dennoch zeigten sie sich zunehmend enttäuscht angesichts unreifer und wenig praxistauglicher Anwendungen. Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des Vorstands der KBV, sagte bei der damaligen Vorstellung zur Haltung der Ärzteschaft zur Digitalisierung: „Voraussetzung für die Akzeptanz ist aber, dass neue Anwendungen den Praxisalltag erleichtern und die Patientenversorgung verbessern. Der Nutzen ist entscheidend.“
Dieser Nutzen sei aber im vergangenen Jahr immer seltener erkennbar gewesen. Nabil Khayat, Founder mediorbis, geht bei der jetzt angelaufen Umfrage davon aus, dass sich die Einstellung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht grundsätzlich geändert haben wird: „Es läuft in Summe immer noch nicht rund genug, wenn wir einen Blick auf digitale Prozesse in den deutschen Praxen werfen. Beispiele sind das Konnektoren-Chaos oder die Schwierigkeiten mit dem E-Rezept. Das kostet Vertrauen und bremst die Motivation der Ärztinnen und Ärzte. Das wird sich wohl auch im PraxisBarometer 2022 spiegeln.“
In ihrer Gesellschafterversammlung hat die gematik nach eigenen Angaben noch einmal alle Alternativen zu einem Austausch der Konnektoren in den Praxen betrachtet. Das Ergebnis: „Bei allen bis August 2023 ablaufenden Konnektoren ist der Austausch weiterhin die einzig sinnvolle Alternative. Für Geräte, die ab September 2023 ablaufen, werden Wahlmöglichkeiten für den TI-Anschluss einer medizinischen Einrichtung denkbar – neben dem Konnektortausch eine Laufzeitverlängerung der TI-Gerätekarte oder ein Anschluss über eine Rechenzentrumslösung.“ Die Gesellschafter empfehlen, so heißt es in der Pressemitteilung weiter, das Finanzierungsmodell für die sichere Anbindung an die Telematikinfrastruktur anzupassen, um diese verschiedenen Varianten bei der TI-Anbindung zu ermöglichen.
130.000 Geräte sind betroffen
Der Austausch der 130.000 Geräte zum Einlesen der Krankenkassenkarten in den Arztpraxen und Kliniken ist notwendig, weil die notwendigen Krypto-Zertifikate nach fünf Jahren ablaufen. Kostenpunkt rund 300 Millionen Euro – zu erstatten von den Krankenkassen. Bisher war davon ausgegangen worden, dass die Schlüssel-Zertifikate nach dem RSA-Verfahren fest eingebaut sind. Dabei ist RSA ist ein kryptographisches Verfahren, das sowohl zum Verschlüsseln als auch zum digitalen Signieren verwendet werden kann. Geplant war bisher, dass die ersten betroffenen Geräte in diesem Herbst ausgetauscht werden sollten, weil die ersten Zertifikate zu Beginn des kommenden Jahres auslaufen. Geplantes Ende des Programms sollte 2025 sein.
Unverständnis bei den Experten des IT‐Fachmagazin c`t
Allerdings hatten Redakteure des IT‐Fachmagazin c`t berichtet, man habe einen Konnektor „aufgeschraubt“ und nachgeschaut, ob es stimme, dass der Austausch der Konnektoren laut gematik „alternativlos“ sei. Das Fazit der Redaktion lautete: „Setzt man für drei gSMC‐K‐Karten einen Herstellungspreis von zusammen 30 Euro an, ließen sich pro ausgetauschter KoCoBox etwa 1556 Euro sparen. Bei den Arbeitskosten für den Kartentausch, beim Aufspielen neuer Firmware, bei der Rekonfiguration der Praxis‐IT sowie An‐ und Abfahrt unterstellen wir in etwa dieselben wie bei der Kalkulation für den Konnektorentausch von CGM. Unverständlich ist, warum die Gematik trotzdem auf einem Austausch aller Konnektoren besteht und keine Unterscheidung zwischen den Modellen der drei Hersteller macht. Statt 300 Millionen Euro für den Tausch von 130.000 Konnektoren würde der Tausch der gSMC‐K‐Karten der KoCoBoxen nur einen kleinen Bruchteil kosten.“ Auf dieser Grundlage hat die KBV von der gematik verlangt, dass eine Alternativenprüfung zum Konnektorentausch vorgelegt wird. Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des Vorstands der KBV, begründet dies auch mit dem Umstand, dass an sinnvollen Alternativen eigentlich alle Seiten ein Interesse haben – auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des schonenden Einsatzes knapper Ressourcen.
Unverständnis und Kopfschütteln
Dass in den Arztpraxen nur noch Unverständnis und Kopfschütteln über das Konnektoren-Chaos herrscht, beschreibt Fabian Engelhardt, Ärzteberater und Mitglied im Bundesverband Freier Sachverständiger e. V.: „Das Ganze lässt sich mit einem Wort sehr treffend beschreiben: Trauerspiel. Alle Bemühungen, die Digitalisierung in der Medizin zum Nutzen aller voranzutreiben, werden so konterkariert und – seien wir ehrlich – auch lächerlich gemacht.“ Der Co-Founder von mediorbis und ist als Geschäftsführer für die Beratungsgemeinschaft für Ärzte und Zahnärzte tätig, wünscht, dass jetzt zügig, sinnvoll und vor allem auch im Sinn der Patienten gehandelt wird: „Datenschutz ist Kernelement in der Beziehung zwischen den Ärzten und den Patienten und hier darf in Zukunft kein Vertrauen mehr verspielt werden.“
Für viele Menschen ist der Besuch beim Psychiater oder Psychologen mit einer großen Hemmschwelle verbunden. Sarang Thakkar, Chefarzt des Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Ambulanzzentrums (PAZ) an der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll in Hamburg, hat deswegen mit einem Expertenteam eine Online-Klinik entwickelt, die u. a. genau das verhindern soll und in diesem Sommer online gegangen ist. In Ochsenzoll kann der Erstkontakt völlig anonym über das Internet stattfinden.
Wer die interaktive Online-Klinik virtuell betritt, kann sich nicht nur über Krankheitsbilder und Therapie-Möglichkeiten informieren, mögliche Patientinnen und Patienten können auch anonym 14 Fragen beantworten, die auf unterschiedliche Diagnosen zugeschnitten sind. Aus den Antworten errechnet ein Algorithmus, was die beste Vorgehensweise ist. Das könnte z. B. die Empfehlung sein, bei der Online-Klinik über ein Terminsystem einen Termin zu vereinbaren oder sich, bei geringeren Beschwerden, an den Hausarzt zu wenden. Weiterer Vorteil: Selbst wenn eine Erkrankung eine stationäre oder teilstationäre Therapie erfordert, könnten die digitalen Angebote schnelle Hilfe bieten, um akute Erkrankungsspitzen abzumildern. Ist eine Therapie erforderlich, kann diese zum Teil online stattfinden.
Diga im Kampf gegen Depressionen
Was Sarang Thakkar in Hamburg-Ochsenzoll aufgebaut hat, ist praktisch die Deluxe-Version digitaler Betreuung im Psycho-Sektor. Selfapy Onlinekurs, Novego und deprexis sind drei digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) im Bereich Depressionen und auf Rezept erhältlich. Aufgelistet werden sie im DIGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Während Novego und der Selfapy-Onlinekurs bei leichten und mittleren Depressionen empfohlen werden, ist deprexis auch bei schweren Verläufen geeignet. Die Programme basieren überwiegend auf Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie. Ihr Ziel: Patienten sollen belastende Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen erkennen und verändern. Was bei solchen digitalen Anwendungen wichtig ist, weiß Uwe Brandt, UX/UI-Designer und Art Director beim Health-Tech-Unternehmen mediorbis. Ein gut geführter Einstieg in die Kernfunktionen gehört für ihn auf jeden Fall dazu: „Ebenso wichtig ist ein nachvollziehbares Verhalten der Anwendung mit einem klaren Feedback, beispielsweise durch Erfolgsnachrichten und Animationen und das in angemessener Dichte und Geschwindigkeit.“
22 Wochen warten auf einen Therapieplatz
22 Wochen – mehr als fünf Monate: So lange warten Patienten in Deutschland durchschnittlich auf einen Psychotherapieplatz. Zu viel. Die Deutsche Depressionsliga (DDL) startete deshalb ihre Onlinekampagne #22WochenWarten. „Kürzere Therapie-Wartezeiten retten Leben!“ heißt es in der Petition. Ihr Adressat: die Bundesregierung. Sie soll die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Reform der Bedarfsplanung für verkürzte Wartezeiten schnell und konsequent umsetzen.
Die Onlinekampagne folgt einer ersten Unterschriftenaktion während des 6. Patientenkongresses Depression am 4. Juni in Frankfurt. Mit einem 22-sekündigen Schweigen machte die DDL-Vorsitzende Waltraud Rinke dort auf das Problem der 22-wöchigen Wartezeit aufmerksam. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beteiligte sich mit einem Grußwort an der Veranstaltung. Er betonte die während der Pandemie groß gewordene Akzeptanz von telefonischen Behandlungen und Videosprechstunden. Darin liege „Potenzial für die Zukunft“, schreibt er.
Medialer Kontakt zu Fachleuten ergänzt Onlineprogramme
Die Möglichkeit medialer Kontakte mit psychologischen Fachkräften existiert auch in einigen digitalen Programmen gegen Depressionen. So überwachen Psychologen beim Selfapy-Onlinekurs den Kursfortschritt. Bei Bedarf können die Nutzer eine zusätzliche psychologische Begleitung buchen, die allerdings mit Kosten für den Patienten verbunden ist. Das Programm Novega ermöglicht einen wöchentlichen Kontakt (via Nachricht) zu einem Psychologenteam und unterhält zusätzlich eine Krisen-Hotline. Das alles ist gut. Als vollständiger Ersatz für ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen in einem persönlichen Gespräch eignen sich die Programme aber auch damit nicht.
Klassische und digitale Therapiebausteine kombiniert
Das Behandlungsfeld der Asklepios Online-Klinik beschränkt sich nicht auf Depressionen. Auch Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen will Chefarzt Sarang Thakkar mit seinem Angebot helfen. Die Klinik kombiniert Therapiebausteine wie Entspannung und Achtsamkeit mit Videotreffen und persönlichen Gesprächen zwischen Patient und Therapeut. Dadurch entsteht ein umfassendes Therapieangebot mit digitalen und klassischen Therapieelementen.
Die Hamburger Online-Klinik will mit ihrem Angebot nicht nur mögliche Einstiegshemmnisse minimieren. Die schlechte Verfügbarkeit von Terminen bei Fachärzten in der Seelenheilkunde – Stichwort #22WochenWarten – soll, gerade auch bei akuten Notfällen, mit dem Online-Angebot umgangen werden. Auch hier steht und fällt der Erfolg aber mit der Nutzerfreundlichkeit des Angebots. „Eine digitale Gesundheitsanwendung bedient fast immer eine heterogene Zielgruppe“, betont Uwe Brandt. „Sie muss Menschen mit unterschiedlichen technischen und kognitiven Fähigkeiten gleichermaßen ansprechen. Ganz einfach ist das nicht. Aber erfahrene UX/UI-Designer wissen, wie das funktioniert“. Für den Kampf gegen Depressionen ist das eine gute Nachricht.
Zu den Partnern dieses Projekts gehören GigXR, ein Anbieter von Extended Reality-Lösungen aus den USA, der NHS Foundation Trust der University of Cambridge und Cambridge University Hospitals. Ziel des Projekts ist erstklassiges Lernen durch lebensechte holografische Patientenszenarien zu ermöglichen, die von überall auf der Welt zugänglich sind. Das erste existierende Modul konzentriert sich auf häufige Atemwegserkrankungen und Notfälle. Dazu gehören Hologramm-Patienten mit Asthma, gefolgt von Anaphylaxie, Lungenembolie und Lungenentzündung. Weitere Module aus den Bereichen Kardiologie und Neurologie sind in der Entwicklung. Einen schnellen Eindruck zum „Look and Feel“ des Mixed Reality Healthcare-Trainings zeigt ein YouTube-Video.
Lernende sehen echte Menschen – und nicht echte Menschen
Mit dem Training können Lernende, die ihre HoloLens Mixed Reality-Headsets tragen, sich im selben Raum gegenseitig sehen und gleichzeitig mit den medizinisch genau dargestellten holografischen Patienten interagieren. Das soll eine einzigartige Lernumgebung schaffen, um wichtige Entscheidungen in Echtzeit treffen zu können und Behandlungsentscheidungen zu üben. Das ist aber noch nicht alles: Die medizinischen Ausbilder können die Patientenreaktionen in Echtzeit ändern, Komplikationen initiieren sowie Beobachtungen und Diskussionen aufzeichnen. Dabei müssen sie selbst nicht vor Ort sein. Weitere Lernende können die holografischen Patientenszenarien ebenfalls mit dem Smartphone oder dem Tablet beobachten, dazu beitragen und diese bewerten.
Keine Schauspieler mehr
Der Juniorarzt Aniket Bharadwaj ist einer der ersten, der an den Cambridge University Hospitals die neue Technologie ausprobieren konnte: „Einen Hologramm-Patienten zu haben, den man sehen, hören und mit dem man interagieren kann, ist wirklich aufregend und macht einen Unterschied im Lernen aus. Es macht das Training viel interaktiver und realistischer. Und: Es können Fehler gemacht werden, um daraus zu lernen.“ Bisher, so Bharadwaj, wurden vor allem Schauspieler zum Trainieren eingesetzt, aber nicht zuletzt die Pandemie habe diese Art des Lernens an ihre Grenzen gebracht, weil Probanden aus Angst vor einer Infektion ausblieben. Strenge Maßnahmen zum Infektionsschutz schränkten die Übungen zusätzlich ein.
Der Leiter des Projekts, Dr. Arun Gupta, beratender Anästhesist an den Cambridge University Hospitals und Direktor für postgraduale Ausbildung an der Cambridge University Health Partnership zeigt sich auch aus einer weiteren Perspektive überzeugt: „Wir helfen, die Ausbildung von einem Mentoring-basierten Modell zu einem Modell zu entwickeln, bei dem Studenten auf der ganzen Welt gleichberechtigten Zugang zu erstklassigem Fachwissen haben, um klinische Fähigkeiten zu beherrschen.“
Ein Fehler? Kein Problem!
Nabil Khayat, Founder des Ärzteportals mediorbis und Digitalexperte ist ebenfalls überzeugt von diesem neuen Ansatz in der Ausbildung: „Auf der einen Seite können risikolos Fehler gemacht werden und zum anderen verringern sich die Kosten enorm. Das kann vielen Studenten, Ärzten und auch dem Pflegepersonal weltweit zugute kommen.“ Zusätzlich begeistert sich Khayat dafür, dass die Ausbilder selbst teilnehmen und die Übungen in Echtzeit ändern können. „An diesem Projekt zeigt sich exemplarisch, wie IT dabei hilft, Menschen zu helfen, die anderen helfen wollen und das auch noch besser und kostengünstiger.“
Telemedizinische Versorgungszentren: Retter in der Not
Wie funktioniert ein TMVZ?
Telemedizinische Versorgungszentren sollen Ärzte vor Ort entlasten, indem sie Patienten telemedizinisch durchführbare Leistungen anbieten. Das schreibt der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) in einem Positionspapier. Ein TMVZ, so der SVDGV weiter, beschäftigt unter ärztlicher Leitung mehrere Ärztinnen und Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte. Im TMVZ arbeiten aber ausschließlich Ärztinnen und Ärzte aus Fachgebieten, die „fachspezifisch telemedizinische Versorgung erbringen können“.
Funktionieren kann solch ein TMVZ nur, wenn Patienten es als Teil ihrer medizinischen Versorgung akzeptieren. Darauf haben neben der medizinischen Kompetenz der in einem TMVZ arbeitenden Ärzte Faktoren wie Benutzerfreundlichkeit und Design telemedizinischer Angebote Einfluss. Welche Regeln dabei gelten, verrät Uwe Brandt, UX/UI Designer und Art Director beim Health-Tech-Unternehmen mediorbis. „Websites und Apps im medizinischen Bereich sollten eine weitestgehend zielgruppen- und millieuneutrale Ästhetik haben, die keinem kurzfristigen Trend folgt.“
Der Handlungsbedarf ist groß
Laut Studie der Robert-Bosch-Stifung werden 2035 ungefähr 11.000 Hausärztinnen und -ärzte in Deutschland fehlen. Vier von zehn Landkreisen werden unterversorgt oder von einer Unterversorgung bedroht sein. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht Handlungsbedarf. Sie bezeichnet die medizinische Versorgung durch Vertragsärztinnen und -ärzte in Deutschland zwar als sehr gut. Aber auch aus ihrer Sicht „zeichnen sich in einigen, insbesondere ländlichen und strukturschwachen Regionen Engpässe ab“ (Quelle). Ein Blick auf regionale Gesundheitsdaten der KBV bestätigt das. In großen Städten wie Berlin liegt die Arztdichte durchschnittlich bei 220,6 bis 411 Ärzten pro 100.000 Einwohner. Dagegen sind es z. B. im Landkreis Barnim (Brandenburg) nur 137,1 und im Landkreis Unterallgäu (Bayern) sogar nur 108,7.
Ein TMVZ ist kein Ersatz für Ärzte vor Ort
Ein großer Vorteil eines TMVZ ist aus Sicht des SVDGV die regionale Unabhängigkeit. Das TMVZ kann seine Leistungen für das gesamte Bundesgebiet anbieten, was die Versorgungsungleichheit zwischen Stadt und Land entschärft. Darüber hinaus bietet es Ärzten attraktive Arbeits- und Lebensmodelle (z. B. Teilzeit, Angestelltenverhältnis). Damit es zu einem wichtigen Akteur in der deutschen Gesundheitsversorgung wird, sollte es das Potenzial telemedizinischer Leistungen aber möglichst gut ausschöpfen. Zu diesen Leistungen kann neben der Online-Videosprechstunde ein Telemonitoring gehören, bei dem die Patienten in Echtzeit Werte wie Puls oder Blutdruck an die Praxis übermitteln (Quelle: Techniker Krankenkasse). Zusätzlich sollten Websites und gegebenenfalls Apps eines TMVZ grundsätzlich barrierefrei oder barrierearm sein. Experte Uwe Brandt: „Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) sollte der Maßstab sein.“ Aber selbst unter besten Voraussetzungen sind die TMVZ kein Allheilmittel gegen Ärztemangel. Sie können Arztpraxen vor Ort ergänzen, aber nicht ersetzen. Das betont auch der SVDGV.
Das TMVZ ist nicht nur Fiktion
Noch sind Projekte zur Umsetzung von TMVZ-Konzepten selten. Aber es gibt sie. Eins davon entsteht in der Gemeinde Steißlingen (Landkreis Konstanz)und wird dort in einem neu erbauten Gesundheitshaus untergebracht. Laut BioLAGO, dem Netzwerk für die regionale Gesundheitswirtschaft wird es „das erste telemedizinische Versorgungszentrum am Bodensee“ sein. Hauptzielgruppe sind Menschen ab einem Alter von 65 Jahren. Das TMVZ soll den Blutdruck der Patienten und später eventuell weitere Gesundheitsparameter überwachen. Die Initiatoren versprechen sich vom Projekt eine hohe Zeitersparnis für Ärzte, die auf diese Weise mehr Zeit für Akutpatienten bekommen. Dieses Ziel zu erreichen, wäre sicherlich aus Sicht von Ärzten und Patienten ein Erfolg.
„Unsere Bedenken wurden gehört: Eine automatische und verpflichtende Einführung des E-Rezepts zum 1. September in zwei Bundesländern ist vom Tisch. Vielmehr wird es ab Anfang September eine freiwillige Teilnahme von Pilotpraxen geben – und das unter klaren Rahmenbedingungen. Die sind entscheidend dafür, wann und wie der weitere Rollout erfolgen wird“, erklärt Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Gemeinsam mit seinen beiden Vorstandskollegen Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel dankte er dann ausdrücklich den Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein, dass sie sich bereit erklärt haben, als Testregionen die Einführung des E-Rezepts zu unterstützen.
Auch außerhalb der Testregionen nutzbar
Die nächsten Schritte der Einführung werden nach dem Start in den Testregionen von den Gesellschaftern der gematik beschlossen. Die gematik soll den Rollout-Prozess eng begleiten und einen gezielten Service zur Einführung anbieten. Aber wie es von Seiten des Bundesministeriums heißt, kann das E-Rezept auch schon vorher eingesetzt werden: „Auch außerhalb des regional begleiteten E-Rezept-Rollouts kann das E-Rezept bundesweit in den (Zahn-)Arztpraxen und Krankenhäusern für die Verordnung von Arzneimitteln genutzt werden.“ Den Angaben des Ministeriums zufolge werden ab dem 1. September 2022 die Apotheken flächendeckend in ganz Deutschland in der Lage sein, E-Rezepte einzulösen und mit den Krankenkassen abzurechnen. Die Praxen, die noch nicht in der Lage sind, ein E-Rezept auszustellen, müssen dann ersatzweise auf das bekannte Papier-Rezept zurückgreifen. „Die Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten ist somit in jedem Fall sichergestellt“, so das Ministerium.
Offensichtlich gibt es sehr viele Fragen
Weil das alles eher verwirrend als klar wirkt, lohnt sich für alle Praxen, aber auch für die Apotheken, ein Blick auf den Online-Auftritt der gematik. Hier finden sich in der Rubrik „FAQ“ tatsächlich über 80 Fragen und Antworten. Sie reichen von grundsätzlichen Fragen („Gilt der rosa Zettel, Muster 16, weiter?“), über ganz praktische („Wo sehen Versicherte bzw. Arztpraxen, welche Apotheke E-Rezept-ready ist?“) bis zu eher speziellen („Ist die Zuzahlungspflicht im E-Rezept gespeichert?“, „Können Versicherte den Status durch Vorlage des Befreiungsausweises beeinflussen?“). Die Antworten sind manchmal nicht sehr konkret, weil der Weg zur flächendeckenden Verbreitung in Teilen – wie geschrieben – noch nicht beschlossen ist.
Trotzdem: Das E-Rezept hat Vorteile
Auch wenn die Einführung des E-Rezepts bisher nicht gerade eine Werbekampagne für sich selbst war, hat die digitale Form der Verordnung nach wie vor große Vorteile. So entfällt mit den Rezepten auf Papier die falsche Interpretation der Handschrift oder der Umstand, dass die Handschrift gar nicht erst zu entschlüsseln ist. Dazu sind die Formulare empfindlich gegen Feuchtigkeit oder mechanische Beschädigungen oder sie gehen schlicht verloren.
Der Co-Founder von mediorbis, Fabian Engelhardt, Ärzteberater und Mitglied im Bundesverband Freier Sachverständiger e. V. und Geschäftsführer für die Beratungsgemeinschaft für Ärzte und Zahnärzte, weist auf zwei weitere Vorteile des E-Rezepts hin: „Papier-Rezepte können relativ einfach gefälscht werden, wenn es zum Beispiel um die Zuzahlungsbefreiung geht. Dazu können Ärztinnen und Ärzte den berühmten ‚Papierkrieg‘ mit der digitalen Verordnung deutlich reduzieren – das ist auch ein Service für alle Patienten.“
Mehr Spielraum: Videosprechstunde in der Psychotherapie
Einigung zwischen Krankenkassen und der KBV
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen haben sich im Bewertungsausschuss im Rahmen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs darauf geeinigt, dass ab dem 1. Juli die Videosprechstunde beweglicher eingesetzt werden kann. Die vereinbarte Obergrenze von 30 Prozent umfasst dann alle Leistungen, die nach der Richtlinie für die Psychotherapie für die Videosprechstunde abgerechnet werden können.
Auf die Summe kommt es an
Mit anderen Worten: Für einzelne Bereiche kann häufiger auch die Videokamera eingesetzt werden, wenn in Summe die 30-Prozent-Marke nicht gerissen wird. Es können also Patientinnen und Patienten, wenn nach den Richtlinien grundsätzlich möglich, ganze Leistungsbereiche vollständig per Video in Anspruch nehmen, wenn andere dafür weiter persönlich in die Praxis kommen. So kann auf Menschen Rücksicht genommen werden, denen Wege schwerfallen oder die wegen Corona, Impfauflagen oder Vorerkrankungen keine normalen Psychotherapie-Sitzungen besuchen können. Welche Leistungen in einer Videosprechstunde berechnungsfähig sind, fasst diese Übersicht der KBV zusammen.
Es gibt Ausnahmen – wichtige
Unter die neuen Regelungen fallen ausdrücklich einige Bereiche nicht: die psychotherapeutische Akutbehandlung, die psychotherapeutische Sprechstunde und die probatorischen Sitzungen. Bei diesen dreien dürfen weiterhin nur bis 30 Prozent online stattfinden. Diese Einzelleistung darf je Psychotherapeut beziehungsweise Psychotherapeutin patientenübergreifend weiterhin nur zu 30 Prozent per Video stattfinden. Hier gelten also die Regelungen weiter, die seit dem Ende der Pandemie-Sonderregelungen am 1. April gelten.
Druck vom Deutschen Psychotherapeuten Netzwerk
Zum Hintergrund der neuen Regelungen gehört, dass nach dem Wegfall der coronabedingten unbegrenzten Videosprechstunde, sich unter anderem das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk dafür ausgesprochen hatte, die Sonderregelung zum unbegrenzten Einsatz von Videosprechstunden in der Psychotherapie fortzuführen. Der DPNW-Vorsitzende, Dieter Adler: „Wir haben in den letzten zwei Jahren ein neues Kapitel aufgeschlagen durch den Einsatz digitaler Möglichkeiten. Damit haben wir Strukturen im Patienten-Behandler-Verhältnis geschaffen, die sich nicht einfach so von jetzt auf gleich zurückdrehen lassen.“
Gute Erfahrungen – gute Zahlen
Eine repräsentative Befragung unter 1.003 Menschen in Deutschland ab 16 Jahren des BITKOM ist ebenfalls Spiegel dafür, dass die Videosprechstunde angekommen ist: „Schon 18 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger haben mindestens einmal per Video-Sprechstunde mit Ärztinnen oder Ärzten bzw. Therapeutinnen oder Therapeuten kommuniziert. Das sind 4 Prozentpunkte mehr als 2021, als es 14 Prozent waren und fast vier Mal so viele wie 2019 (5 Prozent).“ Rund 70 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer der Video-Sprechstunde haben dabei überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Etwa 30 Prozent beurteilen sie als „gut“, 40 Prozent als „eher gut“. Insgesamt fordern der Studie nach acht von zehn Nutzerinnen und Nutzern, das Angebot an Video-Sprechstunden solle ausgebaut werden. Mehr als zwei Drittel haben die Behandlung in der Video-Sprechstunde als ebenso gut wie in der Praxis erlebt. Aussagen, die Nabil Khayat, Founder mediorbis, nachvollziehen kann: „Die Videosprechstunde hat die Behandlung von Menschen verändert – zum Guten. Ich bin mir sicher, dass die Zahlen in den kommenden Jahren noch deutlich nach oben gehen werden und wir hier einen Siegeszug sehen werden, der dem der Videokonferenzen in der freien Wirtschaft vergleichbar ist.“
Damit Konsultationen und Befundübermittlungen bei einer unklaren Diagnose oder Therapieempfehlung schneller vorgenommen werden können, haben AOK PLUS und die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen mit dem eKonsil PLUS eine – nach eigenen Angaben – sichere Form digitaler Kommunikation geschaffen. eKonsil PLUS wird den Thüringer Haus- und Fachärzten seit diesem April als eine indikationsunabhängige Möglichkeit angeboten, mit der sich die teilnehmenden Mediziner im vorhandenen Praxisverwaltungssystem beraten können.
Elektronische Konsilanfrage
Die Vorteile sollen dabei auf Seiten der Patienten und Ärzte liegen. Möchte etwa ein behandelnder Arzt in die individuelle Behandlung seines Patienten die Meinung eines Facharztes einbeziehen, kann er auf elektronischem Weg eine Konsilanfrage an eine Kollegin oder einen Kollegen seiner Wahl stellen. Die fachliche Bewertung seiner Anfrage erfolgt online und je nach Dringlichkeit innerhalb von fünf Werktagen. Die körperliche Anwesenheit des Patienten beim Facharzt ist im ersten Schritt nicht erforderlich. Durch die gemeinsame medizinische Einschätzung der Ärzte, kann schnell die richtige Diagnose gestellt und eine zielgerichtete Weiterbehandlung des Patienten eingeleitet werden.
Zeit und Wege sparen
„Wir ermöglichen mit diesem neuen Verfahren eine verbesserte Versorgung unserer Versicherten. Den Patienten wird der oft weite Weg im herkömmlichen Überweisungsverfahren bei einer unsicheren Diagnose erspart. Warte- und Wegezeiten für Arztbesuche entfallen“, nennt Rainer Striebel, Vorstand der AOK PLUS, einen Vorteil des eKonsils. „Zudem werden unnötige Facharztbesuche und Mehrfachuntersuchungen vermieden – das entlastet die Patienten, aber auch die Arztpraxen. Diese elektronische Konsillösung unterstützt die haus- und fachärztliche Versorgung in Thüringen und hilft, sie langfristig zu sichern.“ Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen sieht die Vorteile nicht nur im Bereich der Patientinnen und Patienten: „Digitalisierung ist dann sinnvoll, wenn sie einen Mehrwert verspricht. Mit dem eKonsil geben wir Ärztinnen und Ärzten eine Möglichkeit zur Arbeitsentlastung und Vernetzung“, so Dr. Annette Rommel, 1. Vorsitzende der Vereinigung.
Eine Einschätzung, die Nabil Khayat, Founder mediorbis, teilt: „Wenn die Digitalisierung ausgebaut werden soll – und das muss sie – müssen die Lösungen überzeugen. Im Fall von eKonsil PLUS scheint das der Fall zu sein: Patienten und Ärzte profitieren von dieser Lösung. Dazu können Fehldiagnosen verhindert werden und es wird Zeit und Geld gespart. Besser geht es nicht.“
Teilnahme noch nicht für alle möglich
Zu den Voraussetzungen zur Teilnahme heißt es bei der Kassenärztliche Vereinigung Thüringen: „Teilnahmeberechtigt sind alle Ärzte, die als Vertragsarzt im Bereich der KVT niedergelassen sind, sofern Sie die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen und ihre Teilnahme gegenüber der KVT erklärt haben. Die Übermittlung einer Konsilanfrage / -antwort ist unter Angabe der Abrechnungsziffer 99226 oder 99227 gegenüber der KVT abzurechnen und wird jeweils in Höhe von 7,50 Euro vergütet … Im ersten Schritt steht das eKonsil PLUS Ärzten zur Verfügung, die das PVS tomedo® der zollsoft GmbH nutzen. Die KVT und die AOK PLUS sind aktuell mit weiteren PVS-Herstellern im Gespräch.“