Gesundheit und Freiheit sind existenzielle Leitprinzipien einer intakten Gesellschaft. Beschränkungen der Gesundheit schränken auch die Freiheit ein. Gesundheit ist daher eine grundlegende Basis der Freiheit. Schließlich kettet uns eine schwere Krankheit oft an einen Ort der Rekonvaleszenz und beraubt uns unserer Bewegungsfreiheit. Damit die Gesundheit ihre Rolle als Grundlage der Freiheit erfüllen kann, muss auch die Gesundheit selbst frei sein.
Zumindest der Teil der Gesundheit, der keine körperliche Anstrengung erfordert, um den Menschen zu dienen. Das sind Gesundheitsinformationen, die uns helfen, unseren Körper besser zu verstehen. Es sind Informationen, die aus Studien hervorgehen, von denen einige Ergebnisse zugänglich gemacht werden. Solche Informationen sind isolierte Informationen, zumal die Studiendesigns unterschiedlich sind. Das führt zur Sammlung unterschiedlicher Daten und damit zu einer heterogenen Datenbasis. Isolierte Lösungen führen zu isoliertem Wissen, d.h. zu einzelnen Erkenntnissen.
Man könnte nun annehmen, dass eine große Anzahl von Inseln schließlich dazu führen würde, dass das Informationsuniversum abgedeckt wird. Das Problem mit der heterogenen Datenbank bleibt jedoch bestehen, das nur gelöst werden kann, wenn man sich an einer gemeinsamen Schnittmenge orientiert. Das wiederum verkleinert die Datenbank erheblich und kann daher nicht als nachhaltige Lösung verfolgt werden.
Das tut mir leid. 🙈
Datenstruktur als Gesundheitsbasis
Die Art und Weise, wie wir im Cannabissektor forschen und Daten sammeln, ist einfach ineffizient und daher falsch. Die Standardisierung der Datenbasis für alle Cannabis-Therapien ist eine wichtige Voraussetzung. Nur so kann jede Erhebung die Summe aller vorherigen Erhebungen ergänzen. Auf diese Weise kann das Wissen aufeinander aufbauen und ein dynamischer Wissensbaum entstehen. Eine gemeinsame Datenbank, die für jeden Patienten, Arzt und Apotheker zugänglich ist. Der Reichtum an Wissen über die Cannabis-Therapie.
Freiheit der Daten
Das Teilen von Wissen kennzeichnet ein anderes Narrativ, die „Freiheit der Daten“. Ein weiterer Paradigmenwechsel, denn Daten unterliegen in unserer Gesellschaft dem Schutz und weniger der Freiheit. Der Datenschutz wird durch das Kollektiv gerechtfertigt und durch den Staat umgesetzt. Er drückt sich im Schutz von Daten aus und ist in erster Linie daran beteiligt, dass es keinen Datenfluss gibt. Auch dann nicht, wenn es sehr sinnvoll wäre.
Digitale Patientenakte
Zum Beispiel wäre es für das Kollektiv nützlich zu wissen, wie Krankheiten mit verschiedenen Medikamenten verlaufen. Wenn ich eine Migräne habe, würde ich gerne wissen, was die Leute gegen Migräne einnehmen und wie hoch der Anteil der erfolgreichen Medikamente ist. Es wäre gut zu wissen, welches Medikament am erfolgreichsten war. Und es wäre gut, wenn die Daten ausschließlich vom Besitzer gesammelt und überwacht würden. Das Ziel der bekannten „digitalen Patientenakte“ ist es, alle relevanten Patientendaten an einem Ort zu speichern.
Keine Datenhoheit beim Patienten
Dem Patienten wird die Datensouveränität zugestanden, obwohl diese durch die zentrale Speicherung nicht vollständig gewährleistet ist. Letztlich liegt die Datenhoheit immer bei der Stelle, die die Stammdaten gespeichert hat. Das bedeutet, dass die Stelle, die den zentralen Speicherort verwaltet, entscheiden kann, wem der Patient seine Daten zugänglich machen kann. Mit anderen Worten: wem der Patient Zugang zu seiner digitalen Patientenakte geben kann.
Nochmal sorry, aber genau hier hat das System seinen größten Fehler und baut einen Eigentumswert auf. Der Patient muss darauf vertrauen, dass der Staat die Möglichkeiten der Entwicklung des Gesundheitswesens zum vollen Vorteil des Patienten nutzen wird. Daraus ergibt sich der Anspruch des Staates, dass die Patienten ihm vertrauen müssen. Und zu dem Dilemma des Patienten, dass er seine Gesundheitsinteressen nur in begrenztem Umfang durchsetzen kann.
Datenhoheit muss zum Patienten
Um dieses Dilemma zu lösen, muss die Datenhoheit uneingeschränkt beim Patienten liegen. Den Patienten muss eine Anwendung zur Verfügung gestellt werden, mit der sie Daten erfassen, eingeben und mit Dritten teilen können. Dazu muss das gesamte Universum ihrer Patient Journey darauf ausgerichtet sein, die erhobenen Daten in strukturierter Form an sie weiterzugeben. Zu diesen Daten gehören:
Daten zur Krankengeschichte
Behandlungsdaten
Medikamentendaten
Therapiedaten
Analysedaten
Wenn der Patient die Kontrolle über seine Daten hat, kann er sie auch für ein kollektives Interesse nutzen, das seiner Gesundheit zugute kommt. Zum Beispiel könnte der Patient seine anonymisierten Daten freigeben und im Gegenzug einen analytischen Einblick in seine Daten und die aller anderen Patienten erhalten. Auf dieser Grundlage könnte eine gemeinsame Datenbank entstehen, eine Schatztruhe des Wissens, die für alle zugänglich ist, wenn sie ihre eigenen Daten hinzufügen.
Fundgrube des Medizinwissens
Eine Fundgrube des Wissens, die der medizinischen Wissenschaft zugänglich gemacht wird und so eine gemeinsame Informationstiefe in der Cannabisf-Frschung synchronisiert. Auf dieser Grundlage können findige Köpfe ihre Forschung fortsetzen und therapeutische Konzepte und Medikamente entwickeln. Da die forschungsbasierte Wissenschaft folglich auf einer dynamisch wachsenden Wissensbasis aufbauen könnte, würde sie den Fortschritt beschleunigen und die Kosten für Unternehmen senken. Infolgedessen würde die Gesundheit erschwinglicher werden.
Voraussetzung zu Freedom of Health
Die Voraussetzung dafür ist eine gemeinsame Datenbank im Rahmen der Blockchain-Technologie. Um diese Datenbank herum muss es Anwendungen zur Datenerfassung geben, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Daten an den Patienten weiterzugeben. Wenn der Patient an der Kommerzialisierung der Daten interessiert ist, wird er in dem großen Datenpool als kommerziell gelistet. Das bedeutet, dass seine Daten an Unternehmen weitergegeben werden und er für ihre Nutzung Geld erhält.
Wenn der Patient die Datenhoheit hat, fließt ein Teil der Einnahmen der Gesundheitsbranche in seine Tasche. Und da er die Kontrolle über seine eigenen Daten hat, müssen sich die Unternehmen Konzepte einfallen lassen, die besondere Leistungen mit seinen Daten verbinden. Derzeit konzentrieren sich die ersten Bemühungen aller Unternehmen auf das Sammeln von Daten. Zunächst Daten von potenziellen Verbindungen und dann ergänzt durch Daten von bestehenden Verbindungen. Wenn Unternehmen direkt mit Daten aus bestehenden Verbindungen beginnen könnten, wären die Projekte deutlich weniger risikoreich.
Exponentieller Fortschritt
Zum Beispiel könnte ein findiger Datenwissenschaftler einzigartige Erkenntnisse aus den Daten gewinnen. Wenn der Zugang einfach ist, d.h. die Bequemlichkeit berücksichtigt wird, könnten globale Forschungen schnell durchgeführt werden. Das sind nur einige der genannten Vorteile, obwohl das ganze Ausmaß der Vorteile nur schwer zu erahnen ist und bereits den Rahmen sprengt.
„Freiheit der Gesundheit“ beschreibt den Anspruch auf die Freiheit der Daten, die daraus resultierende Freiheit der Gesundheit und letztlich die tatsächliche Freiheit. Das zeigt, dass Schopenhauer und Humboldt sich zwar unterschiedlich ausdrückten, aber dieselbe Meinung vertraten.
„Freiheit der Gesundheit“ ist ein komplexer Weg, aber es ist der einzige, der die Gesundheit in das Licht der Freiheit stellt. Es ist der einzige Weg, für den es sich lohnt, als Mensch einzustehen. Es ist der einzige Weg, der ein nachhaltig gesundes Gesundheitssystem gestalten kann. Es ist ein Weg, der unserem Anspruch auf Zivilisation und Menschlichkeit gerecht wird. Freedom of Health verkörpert die Essenz eines freien, nachhaltigen, transparenten und bezahlbaren Gesundheitssystems.
Freiheit der Gesundheit. Dafür stehen wir.
Sprachtherapie per Video? Zahlt die Kasse wieder!
Ein Schub für die Telemedizin
Physiotherapie, Krankengymnastik sind Logopädie sind Beispiele für Heilmittelbehandlungen. Lange Zeit durften sie ausschließlich beim Therapeuten vor Ort stattfinden oder im Beisein des Therapeuten beim Patienten zu Hause. Mit der Corona-Pandemie wurde das anders. 2020 empfahlen die Kassenverbände auf Bundesebene und der GKV-Spitzenverband Sonderregeln. Sie ermöglichten Heilmittelbehandlungen als Videotherapie in Echtzeit. Diese Sonderregelung lief aber am 31. März 2022 aus. Das bedeutete allerdings nicht das Ende dieser Therapien. „Politik, Verbände und Ausschüsse gingen ab 2021 viele wichtige Schritte, um Videotherapie bei der Heilmittelbehandlung dauerhaft zu etablieren“ urteilt Christian Wagner, Mitgründer von mediorbis, Fachanwalt für Medizinrecht und Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag.
Videotherapie: Schritt für Schritt in die Normalität
Bereits im Juni 2021 änderte der Gesetzgeber das Fünfte Sozialgesetzbuch, sodass Versicherte fortan Anspruch auf telemedizinisch erbrachte Heilmittel hatten (Paragraf 32). Im Oktober 2021 folgte der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit dem Beschluss, die Heilmittel-Richtlinie passend zu verändern. Dieser Beschluss trat am 21. Januar 2022 in Kraft und integrierte telemedizinische Heilmittelbehandlungen in die Regelversorgung. Bei Behandlungen wie der Physiotherapie sind konkrete Bedingungen für die Kostenübernahme telemedizinischer Leistungen bereits seit einigen Monaten klar. Bei den Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapien dauert es aber länger und mit der jüngst ausgehandelten Übergangsregelung ist der Prozess noch nicht abgeschlossen.
Bei Physiotherapeuten herrscht bereits seit April Klarheit
Physiotherapeuten konnten nach Auslaufen der Corona-Sonderregeln sehr schnell mit Videotherapien fortfahren. Der dafür nötige Vertrag trat im April rückwirkend für den ersten April in Kraft. Er erlaubt den Therapeuten nach Absprache mit dem Patienten u. a., die Hälfte aller Stunden allgemeiner Krankengymnastik als telemedizinische Leistung zu erbringen. Es gibt jedoch diverse Bedingungen. Die Videotherapie erfolgt im Regelfall in Echtzeit. Für die Erstbehandlung und Verlaufskontrollen ist weiterhin ein persönlicher Kontakt nötig.
Darüber hinaus hat der persönliche Kontakt Vorrang, wenn ein Therapieziel durch Videotherapie nicht in gleichem Maß erreichbar ist. Grundsätzlich soll der Ausschluss dieser Therapie aber nur aus einem wichtigen Grund möglich sein. Therapeuten können sie deshalb auch aus wirtschaftlichen Gründen mit ihren Patienten vereinbaren. „Die Motive für das Angebot einer Videotherapie sind zweitrangig, solange das Therapieziel dabei erreichbar bleibt und man sich im gesetzlich festgelegten Rahmen bewegt“, sagt Christian Wagner.
Streit um die Rahmenbedingungen
Anders als in der Physiotherapie brachten die auslaufenden Corona-Sonderregeln bei den Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapeuten ein vorläufiges Ende der Videotherapie. Die Berufsverbände und die Krankenkassen scheiterten bei ihren Verhandlungen. Der Verband Deutscher Logopäden und Sprachtherapeutischer Berufe (VDLS) nannte als Gründe dafür unter anderem eine zu geringe Aufwandsentschädigung und eine verpflichtende Software. Von den Krankenkassen gezahlte Videotherapien wurden für die genannten Therapeuten damit erst einmal unmöglich.
Einigkeit soll nun ein Schiedsverfahren bringen, das noch nicht abgeschlossen ist. Seit Anfang September existiert aber eine Übergangsregelung. Durch sie ist eine telemedizinische Behandlung bereits bei einem Kind ab einem Alter von vier Jahren möglich. Bedingungen sind eine ausreichende Medienkompetenz und Konzentrationsfähigkeit des Kindes sowie die Anwesenheit einer Bezugs- oder Betreuungsperson. Auf welche Regeln man sich am Ende im Schiedsverfahren einigt, bleibt abzuwarten. Wie so oft gilt wohl: Gut Ding will Weile haben.
Für viele Menschen ist der Besuch beim Psychiater oder Psychologen mit einer großen Hemmschwelle verbunden. Sarang Thakkar, Chefarzt des Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Ambulanzzentrums (PAZ) an der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll in Hamburg, hat deswegen mit einem Expertenteam eine Online-Klinik entwickelt, die u. a. genau das verhindern soll und in diesem Sommer online gegangen ist. In Ochsenzoll kann der Erstkontakt völlig anonym über das Internet stattfinden.
Wer die interaktive Online-Klinik virtuell betritt, kann sich nicht nur über Krankheitsbilder und Therapie-Möglichkeiten informieren, mögliche Patientinnen und Patienten können auch anonym 14 Fragen beantworten, die auf unterschiedliche Diagnosen zugeschnitten sind. Aus den Antworten errechnet ein Algorithmus, was die beste Vorgehensweise ist. Das könnte z. B. die Empfehlung sein, bei der Online-Klinik über ein Terminsystem einen Termin zu vereinbaren oder sich, bei geringeren Beschwerden, an den Hausarzt zu wenden. Weiterer Vorteil: Selbst wenn eine Erkrankung eine stationäre oder teilstationäre Therapie erfordert, könnten die digitalen Angebote schnelle Hilfe bieten, um akute Erkrankungsspitzen abzumildern. Ist eine Therapie erforderlich, kann diese zum Teil online stattfinden.
Diga im Kampf gegen Depressionen
Was Sarang Thakkar in Hamburg-Ochsenzoll aufgebaut hat, ist praktisch die Deluxe-Version digitaler Betreuung im Psycho-Sektor. Selfapy Onlinekurs, Novego und deprexis sind drei digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) im Bereich Depressionen und auf Rezept erhältlich. Aufgelistet werden sie im DIGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Während Novego und der Selfapy-Onlinekurs bei leichten und mittleren Depressionen empfohlen werden, ist deprexis auch bei schweren Verläufen geeignet. Die Programme basieren überwiegend auf Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie. Ihr Ziel: Patienten sollen belastende Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen erkennen und verändern. Was bei solchen digitalen Anwendungen wichtig ist, weiß Uwe Brandt, UX/UI-Designer und Art Director beim Health-Tech-Unternehmen mediorbis. Ein gut geführter Einstieg in die Kernfunktionen gehört für ihn auf jeden Fall dazu: „Ebenso wichtig ist ein nachvollziehbares Verhalten der Anwendung mit einem klaren Feedback, beispielsweise durch Erfolgsnachrichten und Animationen und das in angemessener Dichte und Geschwindigkeit.“
22 Wochen warten auf einen Therapieplatz
22 Wochen – mehr als fünf Monate: So lange warten Patienten in Deutschland durchschnittlich auf einen Psychotherapieplatz. Zu viel. Die Deutsche Depressionsliga (DDL) startete deshalb ihre Onlinekampagne #22WochenWarten. „Kürzere Therapie-Wartezeiten retten Leben!“ heißt es in der Petition. Ihr Adressat: die Bundesregierung. Sie soll die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Reform der Bedarfsplanung für verkürzte Wartezeiten schnell und konsequent umsetzen.
Die Onlinekampagne folgt einer ersten Unterschriftenaktion während des 6. Patientenkongresses Depression am 4. Juni in Frankfurt. Mit einem 22-sekündigen Schweigen machte die DDL-Vorsitzende Waltraud Rinke dort auf das Problem der 22-wöchigen Wartezeit aufmerksam. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beteiligte sich mit einem Grußwort an der Veranstaltung. Er betonte die während der Pandemie groß gewordene Akzeptanz von telefonischen Behandlungen und Videosprechstunden. Darin liege „Potenzial für die Zukunft“, schreibt er.
Medialer Kontakt zu Fachleuten ergänzt Onlineprogramme
Die Möglichkeit medialer Kontakte mit psychologischen Fachkräften existiert auch in einigen digitalen Programmen gegen Depressionen. So überwachen Psychologen beim Selfapy-Onlinekurs den Kursfortschritt. Bei Bedarf können die Nutzer eine zusätzliche psychologische Begleitung buchen, die allerdings mit Kosten für den Patienten verbunden ist. Das Programm Novega ermöglicht einen wöchentlichen Kontakt (via Nachricht) zu einem Psychologenteam und unterhält zusätzlich eine Krisen-Hotline. Das alles ist gut. Als vollständiger Ersatz für ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen in einem persönlichen Gespräch eignen sich die Programme aber auch damit nicht.
Klassische und digitale Therapiebausteine kombiniert
Das Behandlungsfeld der Asklepios Online-Klinik beschränkt sich nicht auf Depressionen. Auch Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen will Chefarzt Sarang Thakkar mit seinem Angebot helfen. Die Klinik kombiniert Therapiebausteine wie Entspannung und Achtsamkeit mit Videotreffen und persönlichen Gesprächen zwischen Patient und Therapeut. Dadurch entsteht ein umfassendes Therapieangebot mit digitalen und klassischen Therapieelementen.
Die Hamburger Online-Klinik will mit ihrem Angebot nicht nur mögliche Einstiegshemmnisse minimieren. Die schlechte Verfügbarkeit von Terminen bei Fachärzten in der Seelenheilkunde – Stichwort #22WochenWarten – soll, gerade auch bei akuten Notfällen, mit dem Online-Angebot umgangen werden. Auch hier steht und fällt der Erfolg aber mit der Nutzerfreundlichkeit des Angebots. „Eine digitale Gesundheitsanwendung bedient fast immer eine heterogene Zielgruppe“, betont Uwe Brandt. „Sie muss Menschen mit unterschiedlichen technischen und kognitiven Fähigkeiten gleichermaßen ansprechen. Ganz einfach ist das nicht. Aber erfahrene UX/UI-Designer wissen, wie das funktioniert“. Für den Kampf gegen Depressionen ist das eine gute Nachricht.
Telemedizinische Versorgungszentren: Retter in der Not
Wie funktioniert ein TMVZ?
Telemedizinische Versorgungszentren sollen Ärzte vor Ort entlasten, indem sie Patienten telemedizinisch durchführbare Leistungen anbieten. Das schreibt der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) in einem Positionspapier. Ein TMVZ, so der SVDGV weiter, beschäftigt unter ärztlicher Leitung mehrere Ärztinnen und Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte. Im TMVZ arbeiten aber ausschließlich Ärztinnen und Ärzte aus Fachgebieten, die „fachspezifisch telemedizinische Versorgung erbringen können“.
Funktionieren kann solch ein TMVZ nur, wenn Patienten es als Teil ihrer medizinischen Versorgung akzeptieren. Darauf haben neben der medizinischen Kompetenz der in einem TMVZ arbeitenden Ärzte Faktoren wie Benutzerfreundlichkeit und Design telemedizinischer Angebote Einfluss. Welche Regeln dabei gelten, verrät Uwe Brandt, UX/UI Designer und Art Director beim Health-Tech-Unternehmen mediorbis. „Websites und Apps im medizinischen Bereich sollten eine weitestgehend zielgruppen- und millieuneutrale Ästhetik haben, die keinem kurzfristigen Trend folgt.“
Der Handlungsbedarf ist groß
Laut Studie der Robert-Bosch-Stifung werden 2035 ungefähr 11.000 Hausärztinnen und -ärzte in Deutschland fehlen. Vier von zehn Landkreisen werden unterversorgt oder von einer Unterversorgung bedroht sein. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht Handlungsbedarf. Sie bezeichnet die medizinische Versorgung durch Vertragsärztinnen und -ärzte in Deutschland zwar als sehr gut. Aber auch aus ihrer Sicht „zeichnen sich in einigen, insbesondere ländlichen und strukturschwachen Regionen Engpässe ab“ (Quelle). Ein Blick auf regionale Gesundheitsdaten der KBV bestätigt das. In großen Städten wie Berlin liegt die Arztdichte durchschnittlich bei 220,6 bis 411 Ärzten pro 100.000 Einwohner. Dagegen sind es z. B. im Landkreis Barnim (Brandenburg) nur 137,1 und im Landkreis Unterallgäu (Bayern) sogar nur 108,7.
Ein TMVZ ist kein Ersatz für Ärzte vor Ort
Ein großer Vorteil eines TMVZ ist aus Sicht des SVDGV die regionale Unabhängigkeit. Das TMVZ kann seine Leistungen für das gesamte Bundesgebiet anbieten, was die Versorgungsungleichheit zwischen Stadt und Land entschärft. Darüber hinaus bietet es Ärzten attraktive Arbeits- und Lebensmodelle (z. B. Teilzeit, Angestelltenverhältnis). Damit es zu einem wichtigen Akteur in der deutschen Gesundheitsversorgung wird, sollte es das Potenzial telemedizinischer Leistungen aber möglichst gut ausschöpfen. Zu diesen Leistungen kann neben der Online-Videosprechstunde ein Telemonitoring gehören, bei dem die Patienten in Echtzeit Werte wie Puls oder Blutdruck an die Praxis übermitteln (Quelle: Techniker Krankenkasse). Zusätzlich sollten Websites und gegebenenfalls Apps eines TMVZ grundsätzlich barrierefrei oder barrierearm sein. Experte Uwe Brandt: „Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) sollte der Maßstab sein.“ Aber selbst unter besten Voraussetzungen sind die TMVZ kein Allheilmittel gegen Ärztemangel. Sie können Arztpraxen vor Ort ergänzen, aber nicht ersetzen. Das betont auch der SVDGV.
Das TMVZ ist nicht nur Fiktion
Noch sind Projekte zur Umsetzung von TMVZ-Konzepten selten. Aber es gibt sie. Eins davon entsteht in der Gemeinde Steißlingen (Landkreis Konstanz)und wird dort in einem neu erbauten Gesundheitshaus untergebracht. Laut BioLAGO, dem Netzwerk für die regionale Gesundheitswirtschaft wird es „das erste telemedizinische Versorgungszentrum am Bodensee“ sein. Hauptzielgruppe sind Menschen ab einem Alter von 65 Jahren. Das TMVZ soll den Blutdruck der Patienten und später eventuell weitere Gesundheitsparameter überwachen. Die Initiatoren versprechen sich vom Projekt eine hohe Zeitersparnis für Ärzte, die auf diese Weise mehr Zeit für Akutpatienten bekommen. Dieses Ziel zu erreichen, wäre sicherlich aus Sicht von Ärzten und Patienten ein Erfolg.
Die Hälfte der Ärzte fühlt sich von der Digitalisierung überfordert
Es ist mitten in der Pandemie, als EPatient Analytics 569 Ärzte und 16 Psychotherapeuten befragt. Ergebnis: Die Stimmung ist mies. Die einen sind überlastet durch zusätzliche Corona-Patienten, die anderen überfordert von Impf-Anfragen, die nächsten schreiben gar rote Zahlen, weil seit einem Jahr Patienten Routine-Termine absagen.
„Und als wäre die nervliche Belastung nicht schon genug, wurden von politischer Seite mal eben ein paar verpflichtende Digitalisierungsmaßnahmen eingeführt“, bringt es Nabil Khayat, Ärzte-Berater und Digitalisierungsexperte auf den Punkt. Er kann den Frust der Ärzte gut nachvollziehen. Trotzdem ist er von der Notwendigkeit der digitalen Neuerungen überzeugt und erklärt, wie die Einführung gelingen und die Akzeptanz bei Ärzten höher werden kann.
Ärzte sind in die Entwicklung von digitalen Lösungen zu wenig eingebunden
Zu den gängigen E-Health-Anwendungen zählen: Online-Termin-Vereinbarung, Videosprechstunde, eRezept, ePatientenakte, eMedikationsplan und eAU-Schein. Die Befragung ergab, dass fast alle Ärzte die oben genannten Anwendungen vom Namen her kennen, aber nur ein Bruchteil sie auch einsetzt. Am beliebtesten ist dabei die Online-Terminvergabe: Ein knappes Drittel nutzt diese und mehr als 60 % der Nutzer bestätigen, dass sie zu Zeitersparnis und Effizienz beiträgt.
Einen regelrechten Shitstorm gab es hingegen auf die TI-Konnektoren, die einen Großteil der anderen eHealth-Anwendungen erst ermöglichen. Rund 94 % äußerten ihre schlechten Erfahrungen dazu in einem Freitextfeld: Systemabstürze durch Updates, Fehlermeldungen, bürokratischer Mehraufwand – und allem voran: Wut auf die Politik.
„Es ist wie bei allen Change-Prozessen: Wenn die Veränderung nur von oben nach unten aufgedrückt wird, gelingt sie nicht“, erklärt Nabil Khayat. Als Ärzte-Berater hat er täglich mit Medizinern zu tun und weiß: „Die Alltagsrealität in Arztpraxen fand zu wenig Rücksicht. Die Politik beschloss, die Ärzte sollten ausführen – das sorgt nie für gute Stimmung. Die Vorteile der Digitalisierungsmaßnahmen sind den Ärzten noch zu wenig bewusst.“
Anreize, Aufklärung und technischer Support: Das führt zum Ziel
Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt allerdings: Von denjenigen, die eAnwendungen getestet haben, ist die Mehrheit danach vom Nutzen überzeugt. Es gilt also, möglichst viele Ärzte dazu zu bringen, den Umstellungsprozess in die Hand zu nehmen. „Der Weg von Pflicht und Sanktion ist da natürlich eine Option“, meint Khayat, „Ich würde aber eher Anreize schaffen, die motivierend wirken. Eine Prämie zum Beispiel.“
Ein weiterer wichtiger Baustein, sei die Aufklärung. „Die Ärzte müssen verstehen, warum sie sich den ganzen Aufwand machen. Es muss klar sein: Es geht hier nicht um Schikane, sondern um echten Nutzen. Dazu braucht es Fall-Beispiele, die verdeutlichen wie die Gesundheit der Patienten profitiert.“
Außerdem gehöre zur Aufklärung natürlich auch der technische Support. „Die Ärzte sind Experten im Gebiet, Menschen zu heilen. Man kann nicht von ihnen erwarten, dass sie auch noch IT-Experten sind. Sie brauchen hier Unterstützung“, betont Khayat, der mit seinem Ärzteportal mediorbis täglich Medizinern bei der Digitalisierung hilft.
Digitalisierung kann Leben retten
I+ ePatientenakte, eMedikationsplan, Telemedizin: eHealth kann Leben retten
Zum Thema Aufklärung bringt Khayat auch gleich ein Beispiel: Die ePatientenakte (ePa). Laut Umfrage lehnen 40% der Ärzte diese noch grundsätzlich ab. Diese Berührungsangst könne man beruhigen, wenn man den Nutzen verdeutlicht: „Die ePatientenakte erlaubt einen ganzheitlichen Blick auf den Patienten. Jeder Arzt kann auf einen Klick Allergien, Vorerkrankungen sowie frühere Blutbild-Befunde und Röntgenbilder einsehen. Das führt zu Handlungssicherheit im Notfall, zu treffenderen Diagnosen und zu schnellerem Therapieerfolg. Die ePatientenakte kann sogar Leben retten.“
Wer also als Arzt denkt: „Digitalisierung geht mich nichts an. Ich bin Arzt geworden, um zu heilen, nicht um mich mit IT herumzuschlagen“, der habe nicht zu Ende gedacht. Denn was wie ein reiner Verwaltungsakt anmutet, kann den Zyklus des Gesundwerdens enorm verkürzen und trägt so maßgeblich zum Wohl des Patienten bei.
„Wenn das bei den Ärzten ankommt, haben wir sie gewonnen. Und gleichzeitig muss ankommen: Sie sind mit der Umstellung nicht allein. Es gibt Experten, die ihnen dabei helfen“, sagt Khayat und blickt somit trotz der kritischen Umfrageergebnisse positiv in die digitale Zukunft des Gesundheitswesens.