Praxis Arbeitszeit erfassen

Arbeitszeit erfassen: Vertrauen alleine reicht nicht

Mira Ross-Büttgen
16.01.2023

Arbeitszeiten-Dokumentation ist seit September 2022 auch in kleinen Hausarztpraxen Pflicht. Grundlage dafür ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Jetzt hat das BAG dieses Urteil begründet und dabei erneut klargestellt: die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt ab sofort.

Die neuen Pflichten sind auch Arbeitnehmerschutz

In seiner Urteilsbegründung (1) beruft sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt unter anderm mit einem 2019 gefällten Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und mit Paragraf 3 (Absatz 2, Nummer 1) des Arbeitsschutzgesetzes. Laut Gesetz müssen Arbeitgeber die erforderlichen Mittel bereitstellen, um die nötigen Arbeitsschutz-Maßnahmen umzusetzen. Zu diesen Maßnahmen gehört unter anderem eine begrenzte Arbeitszeit.

Eine Grundlage für die Arbeitszeitregeln ist die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2003/88/EG). Sie fordert in einem Zeitraum von 24 Stunden „eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden“. Das deutsche Arbeitszeitgesetz setzt die Richtlinie unter anderem für zivilrechtliche privatwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse um. Mit der geforderten Arbeitszeiterfassung können Behörden kontrollieren, ob die Arbeitgeber die verbindlichen Vorgaben für Arbeitszeiten einhalten.

„Die verbindliche Arbeitszeiterfassung ist eine gute Sache“, urteilt Christian Wagner, Mitgründer von mediorbis, Fachanwalt für Medizinrecht und Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag. „Allerdings sollte die Politik die Pflicht zur Zeiterfassung künftig so regeln, dass sie Unternehmen möglichst wenig daran hindert, flexible Formen der Arbeit auszutesten“, fährt er fort.

Bei der Arbeitszeiterfassung bleibt Spielraum

Tatsächlich bleibt den einzelnen Staaten der Europäischen Union ein Spielraum, Regeln der Arbeitszeiterfassung anhand eigener Vorstellungen auszugestalten. Sie können zum Beispiel entscheiden, für welche Unternehmen sie die Pflicht zur Zeiterfassung einschränken. Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit das deutsche Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) solche Freiräume nutzt. Das Ministerium hat für das erste Quartal 2023 Vorschläge angekündigt, wie es die neuen Regeln zur Arbeitszeiterfassung in das Arbeitszeitgesetz integrieren möchte (2).

Darauf warten können Arbeitgeber nicht. Sie sind laut BAG-Urteil ohne Übergangsfrist dazu verpflichtet, ein System zu Arbeitszeiterfassung einzuführen. Dabei reicht es nicht aus, das System nur bereitzustellen. Sie sind zusätzlich dafür verantwortlich, dass es tatsächlich genutzt wird und dass Arbeitstage sowie der Beginn, die Dauer und das Ende der jeweiligen Arbeitszeiten dokumentiert werden.

Relativ frei sind sie derzeit dagegen in der Wahl der Methode, wie sie die Arbeitszeit dokumentieren. Ein elektronisches System ist nicht vorgeschrieben. Die Arbeitszeit kann deshalb auch auf Papier erfasst werden. Das kann sich jedoch ändern, wenn gesetzliche Regeln anderslautende Details definieren.

Vorsicht: Beitragsnachzahlungen

Geld auf einem Taschenrechner

Durch die Pflicht zur Arbeitszeitzeiterfassungen drohen für manch einen Arbeitgeber Probleme mit der Deutschen Rentenversicherung. Stellt sie bei einer Betriebsprüfung Diskrepanzen zwischen der ausgezahlten Summe an Löhnen und Gehältern und den dokumentierten Arbeitszeiten fest, drohen Beitragsnachzahlungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Und bei fehlender Zeiterfassung im Betrieb werden die Arbeitszeiten eventuell sogar mit einem für das Unternehmen negativen Ergebnis geschätzt. „Das Ganze ist bisweilen auch strafrechtlich relevant“, warnt Christian Wagner.

Besteht der Verdacht, dass ein Arbeitgeber Arbeitszeiten bewusst nicht dokumentiert, um der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorzuenthalten, droht im ungünstigsten Fall eine Klage auf Basis von Paragraf 266a des Strafgesetzbuches (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt). „Die Gefahr, dass so etwas geschieht ist zwar nicht sehr groß. Sie sollte aber auch nicht unterschätzt werden“, sagt Christian Wagner.

Bildnachweis

Bild 1: ©iStock/courtneyk, Bild 2: ©iStock/deepblue4you

Verweise

(1) https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1-abr-22-21/

(2) https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Arbeitnehmerrechte/Arbeitszeitschutz/Fragen-und-Antworten/faq-arbeitszeiterfassung.

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