Cannabis-Verbot Bundesverfassungsgericht

Cannabis-Verbot: Mit dem Grundgesetz vereinbar?

Mira Ross-Büttgen
23.02.2023

Cannabis-Legalisierung – das Bundesverfassungsgericht läuft sich schon mal warm: Die Richter müssen darüber entscheiden, ob das im Betäubungsmittelgesetz verankerte Cannabis-Verbot überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Urteil könnte auch international ein Zeichen setzen.

Spannendes Cannabis-Urteil in spannender Zeit

Der Auftrag kommt von ganz unten: Mehrere Amtsgerichte haben beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Normenkontrollanträge eingereicht, die eine Entscheidung über das Cannabis-Verbot im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) nötig machen. Normenkontrollanträge (oder etwas salopper Richtervorlagen) werden erforderlich, wenn ein Fachgericht – in diesem Fall die Amtsgerichte – ein Gesetz, auf dessen Grundlage das Gericht eine Entscheidung treffen muss, für nicht verfassungskonform hält. Darüber kann nur das Bundesverfassungsgericht urteilen. Etwa 100 solcher Normenkontrollanträge erreichen die Bundesrichter jährlich. Dieser hat es in sich.

Das Bundesverfassungsgericht soll prüfen, ob Paragraf 29 (Abs. 1, Nr. 3) des Betäubungsmittelgesetzes mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist. Darin heißt es:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (…) Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.

(Paragraf 29, Absatz 1, Nummer 3 BtMG)

Die Amtsrichter sehen in ihren Anträgen Komplikationen mit dem im Grundgesetz verankerten Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG): „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Probleme sehen die Fachrichter auch in einem anderen Paragrafen des BtMG. In dem heißt es, es könne von der Verfolgung abgesehen werden, „wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt“. (§31a BtMG)

Was dem Rechtsempfinden vieler Menschen entsprechen mag, wird aber schwierig, wenn das Grundgesetz mit der Gleichbehandlung ins Spiel kommt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Sind sie aber nach Ansicht der Amtsrichter im Moment möglicherweise nicht, denn der Handlungsspielraum bei der Strafverfolgung wird in jedem Bundesland anders ausgelegt.

„Das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits mehrfach mit Cannabis beschäftigt“, sagt Christian Wagner, Fachanwalt für Medizinrecht, Mitgründer von mediorbis und Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag. „Aber jetzt fällt das Gerichtsurteil in eine Zeit, in der die Politik eine Legalisierung auf dem Schirm hat. Das macht dieses Urteil so spannend.“

Es gibt kein Recht auf Rausch – sagen die Bundesrichter

Das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich bereits 1994 mit Cannabis. Damals stufte unter anderem die Berufungsstrafkammer des Landgerichts Lübeck Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes als verfassungswidrig ein. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts argumentierte damals in seinem Urteil, dass es kein Recht auf Rausch gibt und dass nicht alle potenziell gleich schädlichen Drogen auch gleich behandelt werden müssen – zum Beispiel Alkohol und Cannabis.

2004 gab es einen erneuten Versuch, BtMG-Strafvorschriften von den Verfassungsrichtern überprüfen zu lassen, aber die Vorlage scheiterte. Die Richter sahen damals keine neuen Tatsachen, um ein Urteil zu fällen. Aber seither ist viel geschehen. Und je nachdem, wie die Bundesrichter entscheiden, könnte die politisch von der Regierung gewollte Cannabis-Legalisierung für den Freizeitbedarf Rücken- oder Gegenwind bekommen.

Schlupfloch in den UN-Konventionen

Cannabis-Alleingänge sind schwierig. Deutschland ist an das UN-Einheitsabkommen über psychotrope Substanzen gebunden.
Cannabis-Alleingänge sind schwierig. Deutschland ist an das UN-Einheitsabkommen über psychotrope Substanzen gebunden.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte auch international Weichen stellen. Bei Deutschlands Cannabis-Legalisierungs-Plänen entscheiden nämlich nicht nur deutsche Politiker. Deutschland ist unter anderem an das UN-Einheitsabkommen über psychotrope Substanzen gebunden und das lässt für einen Freizeitkonsum von Cannabis wenig Spielraum. Staaten wie Kanada und Uruguay haben jeweils eigene – Kritiker sagen „nicht zu Ende gedachte“ – Wege gewählt, um damit umzugehen und dennoch zu legalisieren.

Im Februar 2023 verwiesen die Verfassungsrichter zudem auf einen „Verfassungsvorbehalt“ in den UN-Konventionen. Er schafft Mitgliedsstaaten Spielräume. Sie ließen sich eventuell nutzen, wenn das Bundesverfassungsgericht das Cannabis-Verbot im BtMG für nicht verfassungskonform hält. „Es wird in jedem Fall sehr wichtig sein, sich international vorab gut abzusichern“, sagt Christian Wagner. „Je problematischer eine einmal vollzogene Legalisierung auf internationaler Ebene wird, desto eher wird sie politisch auch national zu einem Desaster für diejenigen, die sie initiiert haben.“

Bildnachweis

Bild 1: ©iStock/LifestyleVisuals, Bild 2: ©iStock/TommL

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