Patientenakte und Bundesverwaltungsgerichts

Datenschutz: Die Patientenakte bleibt gesperrt

Redaktion Mediorbis
21.07.2022
Datenschutz ist ein heikles Thema – vor allem wenn es um Patientenakten geht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ein neues und wichtiges Urteil gefällt …

Keine Einsicht der Überwachungsbehörden

„Die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs zuständigen Behörden sind nicht befugt, zur Kontrolle des Verschreibens von Betäubungsmitteln Einsicht in ärztliche Patientenakten zu nehmen.“ Mit diesen Worten hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das eigene Urteil auf den Punkt gebracht. Der Kläger, ein Arzt mit einer allgemeinmedizinischen Praxis – war gegen die für ihn zuständige Überwachungsbehörde vorgegangen. Mit diesem Urteil im Frühjahr 2022 endete ein Streit, zu dem Vorinstanzen bereits in den Jahren 2017 und 2019 Urteile gefällt hatten – genauer das Verwaltungsgericht München und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Der Anlass: Routine-Kontrollen in Apotheken

Anlass für die langandauernde Auseinandersetzung war die Forderung der Behörde an den Arzt für 14 namentlich benannte Patienten, alle von ihm ausgestellten Betäubungsmittelrezepte sowie die Unterlagen vorzulegen, die die Betäubungsmittelverschreibungen medizinisch begründen können. Dazu zählten z. B. Patientendokumentationen, Arztbriefe oder Befunde – zum Teil über Zeiträume von mehreren Jahren. Zur Begründung des Bescheides führten die Beamten aus, dass bei routinemäßigen Kontrollen in Apotheken zahlreiche Verschreibungen des Klägers aufgefallen seien. U. a. über die Betäubungsmittel Methylphenidat und Fentanyl. Die auffälligen Rezepte hätten Anlass zur Überprüfung gegeben, ob die Anwendung der verschriebenen Betäubungsmittel medizinisch indiziert gewesen sei. Und: Die Prüfung sei ohne Einsicht in die Patientenakten nicht möglich.

Klage, Urteil und Berufung

Das Verwaltungsgericht München hob den Bescheid auf – soweit er die Vorlage der Patientenunterlagen anordnet – und wies die Klage des Arztes im Übrigen ab. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage insgesamt ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil geändert und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Gute Gründe

Nach Ansicht der Richter sind die Überwachungsbehörden zwar befugt, Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einzusehen, so weit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können. Aber: „Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, nicht nur Betäubungsmittelverschreibungen, sondern auch Patientenakten seien Unterlagen im Sinne von § 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, verstößt gegen Bundesrecht. Die Auslegung der Vorschrift ergibt, dass sie auf Patientenakten keine Anwendung findet.“

Trotzdem äußerte das Gericht Verständnis für das Ansinnen der Behörde, denn anhand der Angaben auf einem Betäubungsmittelrezept lässt sich die medizinische Begründung der Verschreibung nicht feststellen. Das Ziel, eine effektive Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zu gewährleisten, könne, so die Richter, daher dafürsprechen, den Überwachungsbehörden auch die Befugnis einzuräumen, ärztliche Patientenunterlagen einzusehen. Die grundlegende Einschränkung folgt sogleich: „§ 22 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bietet für die Befugnis zur Einsicht in Patientenakten jedoch keine Grundlage. Weder Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm noch die Gesetzessystematik geben Anknüpfungspunkte dafür, dass Patientenakten nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Begriff „Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr“ umfasst sein sollen.“

Bedeutung für die Praxis

Christian Wagner, Gründer der Anwaltsplattform advomeda und Justiziar von mediorbis, hält das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für das einzig richtige: „Es gibt in dem genannten Rahmen kein Recht zur Einsicht in die Patientenakten. Das könnte im Einzelfall die Behörden tatsächlich bei der Verfolgung eines Missbrauchs ausbremsen – keine Frage. Auf der anderen Seite gehören Daten zu Gesundheit des einzelnen Menschen zu seinen schützenswertesten Daten überhaupt. Deshalb hat der Gesetzgeber völlig zu Recht den Datenschutz an dieser Stelle bisher nicht aufgeweicht und wird das zukünftig hoffentlich auch nicht tun.“

Bild 1: ©iStock / fstop123, Bild 2: ©iStock / DNY59

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