Telemedizin Depression

Hilfe bei psychischen Problemen: #22WochenWarten

Mira Ross-Büttgen
03.08.2022

Depression und chronisch depressive Verstimmung: Bis zu 20 Prozent der Menschen in Deutschland sind während ihres Lebens mindestens einmal betroffen. Telemedizinische Angebote können ihnen helfen und wichtige Beiträge zu einer erfolgreichen Therapie leisten. 

Psychiatrische Online-Klinik: niedrige Hemmschwelle

Für viele Menschen ist der Besuch beim Psychiater oder Psychologen mit einer großen Hemmschwelle verbunden. Sarang Thakkar, Chefarzt des Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Ambulanzzentrums (PAZ) an der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll in Hamburg, hat deswegen mit einem Expertenteam eine Online-Klinik entwickelt, die u. a. genau das verhindern soll und in diesem Sommer online gegangen ist. In Ochsenzoll kann der Erstkontakt völlig anonym über das Internet stattfinden.

Wer die interaktive Online-Klinik virtuell betritt, kann sich nicht nur über Krankheitsbilder und Therapie-Möglichkeiten informieren, mögliche Patientinnen und Patienten können auch anonym 14 Fragen beantworten, die auf unterschiedliche Diagnosen zugeschnitten sind. Aus den Antworten errechnet ein Algorithmus, was die beste Vorgehensweise ist. Das könnte z. B. die Empfehlung sein, bei der Online-Klinik über ein Terminsystem einen Termin zu vereinbaren oder sich, bei geringeren Beschwerden, an den Hausarzt zu wenden. Weiterer Vorteil: Selbst wenn eine Erkrankung eine stationäre oder teilstationäre Therapie erfordert, könnten die digitalen Angebote schnelle Hilfe bieten, um akute Erkrankungsspitzen abzumildern. Ist eine Therapie erforderlich, kann diese zum Teil online stattfinden.

Diga im Kampf gegen Depressionen

Was Sarang Thakkar in Hamburg-Ochsenzoll aufgebaut hat, ist praktisch die Deluxe-Version digitaler Betreuung im Psycho-Sektor. Selfapy Onlinekurs, Novego und deprexis sind drei digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) im Bereich Depressionen und auf Rezept erhältlich. Aufgelistet werden sie im DIGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Während Novego und der Selfapy-Onlinekurs bei leichten und mittleren Depressionen empfohlen werden, ist deprexis auch bei schweren Verläufen geeignet. Die Programme basieren überwiegend auf Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie. Ihr Ziel: Patienten sollen belastende Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen erkennen und verändern. Was bei solchen digitalen Anwendungen wichtig ist, weiß Uwe Brandt, UX/UI-Designer und Art Director beim Health-Tech-Unternehmen mediorbis. Ein gut geführter Einstieg in die Kernfunktionen gehört für ihn auf jeden Fall dazu: „Ebenso wichtig ist ein nachvollziehbares Verhalten der Anwendung mit einem klaren Feedback, beispielsweise durch Erfolgsnachrichten und Animationen und das in angemessener Dichte und Geschwindigkeit.“  

22 Wochen warten auf einen Therapieplatz

Wartezeit auf eine Therapie bei Depression: Frau mit Sanduhr

22 Wochen – mehr als fünf Monate: So lange warten Patienten in Deutschland durchschnittlich auf einen Psychotherapieplatz. Zu viel. Die Deutsche Depressionsliga (DDL) startete deshalb ihre Onlinekampagne #22WochenWarten. „Kürzere Therapie-Wartezeiten retten Leben!“ heißt es in der Petition. Ihr Adressat: die Bundesregierung. Sie soll die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Reform der Bedarfsplanung für verkürzte Wartezeiten schnell und konsequent umsetzen.

Die Onlinekampagne folgt einer ersten Unterschriftenaktion während des 6. Patientenkongresses Depression am 4. Juni in Frankfurt. Mit einem 22-sekündigen Schweigen machte die DDL-Vorsitzende Waltraud Rinke dort auf das Problem der 22-wöchigen Wartezeit aufmerksam. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beteiligte sich mit einem Grußwort an der Veranstaltung. Er betonte die während der Pandemie groß gewordene Akzeptanz von telefonischen Behandlungen und Videosprechstunden. Darin liege „Potenzial für die Zukunft“, schreibt er.

Medialer Kontakt zu Fachleuten ergänzt Onlineprogramme

Die Möglichkeit medialer Kontakte mit psychologischen Fachkräften existiert auch in einigen digitalen Programmen gegen Depressionen. So überwachen Psychologen beim Selfapy-Onlinekurs den Kursfortschritt. Bei Bedarf können die Nutzer eine zusätzliche psychologische Begleitung buchen, die allerdings mit Kosten für den Patienten verbunden ist. Das Programm Novega ermöglicht einen wöchentlichen Kontakt (via Nachricht) zu einem Psychologenteam und unterhält zusätzlich eine Krisen-Hotline. Das alles ist gut. Als vollständiger Ersatz für ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen in einem persönlichen Gespräch eignen sich die Programme aber auch damit nicht.

Klassische und digitale Therapiebausteine kombiniert

Das Behandlungsfeld der Asklepios Online-Klinik beschränkt sich nicht auf Depressionen. Auch Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen will Chefarzt Sarang Thakkar mit seinem Angebot helfen. Die Klinik kombiniert Therapiebausteine wie Entspannung und Achtsamkeit mit Videotreffen und persönlichen Gesprächen zwischen Patient und Therapeut. Dadurch entsteht ein umfassendes Therapieangebot mit digitalen und klassischen Therapieelementen.

Die Hamburger Online-Klinik will mit ihrem Angebot nicht nur mögliche Einstiegshemmnisse minimieren. Die schlechte Verfügbarkeit von Terminen bei Fachärzten in der Seelenheilkunde – Stichwort #22WochenWarten – soll, gerade auch bei akuten Notfällen, mit dem Online-Angebot umgangen werden. Auch hier steht und fällt der Erfolg aber mit der Nutzerfreundlichkeit des Angebots. „Eine digitale Gesundheitsanwendung bedient fast immer eine heterogene Zielgruppe“, betont Uwe Brandt. „Sie muss Menschen mit unterschiedlichen technischen und kognitiven Fähigkeiten gleichermaßen ansprechen. Ganz einfach ist das nicht. Aber erfahrene UX/UI-Designer wissen, wie das funktioniert“. Für den Kampf gegen Depressionen ist das eine gute Nachricht.

Bild 1: ©iStock/Armand Burger, Bild 2: ©iStock/mammuth

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