Streichung des Paragraph 219a sehr wahrscheinlich
„Die Bereitstellung von Informationen durch Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen – auch außerhalb des persönlichen Beratungsgespräch – stellt für betroffene Frauen eine wichtige Entscheidungshilfe dar. Es ist höchste Zeit geworden, dass Ärzte in so einer schwierigen Situation Frauen unterstützen können, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen“, sagt Medizinrechtler Christian Wagner. Die Streichung des Parapgraphs 219a muss als Gesetzentwurf noch den Bundestag und den Bundesrat passieren. Es gilt aber als sehr wahrscheinlich, dass er angenommen wird.
Auch strafgerichtliche Urteile, die diesbezüglich nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, sollen dann aufgehoben und die Verfahren eingestellt werden. Wagner weiß: „An verurteilten Ärzten haftete vor allem ein Strafmakel, der sie mit Blick auf ihr Berufsethos stark belastet. Davon nun befreit zu werden, ist ein überfälliger Schritt.“
Irreführende und anpreisende Werbung bleibt verboten
Konservative Politiker äußerten sich jedoch besorgt: Eine unkontrollierte Werbetrommel für Abtreibung wurde von manchen beschworen. Doch das sei absolut nicht zu befürchten, entkräftet Christian Wagner: „Begleitende Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) sollen gewährleisten, dass auch die Werbung für medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche künftig nur unter den strengen Bedingungen des HWG erlaubt ist.“
Das Heilmittelwerbegesetz regelt generell die Werbemöglichkeiten für Medizinprodukte und -verfahren. Irreführende Werbung für bestimmte Therapieformen oder Medikamente sind demnach schon heute nicht erlaubt. Ärzte dürfen also auch nach der Gesetzänderung auf ihrer Website, in Prospekten oder anderen Medien immer nur informieren und aufklären, nicht im herkömmlichen Sinne werben.
Das gilt auch für Schwangerschaftsabbrüche. Medizinanwalt Wagner weiter: „Auch nach der Streichung des §219a StGB dürfen Ärztinnen und Ärzte natürlich keine echte Werbung für Schwangerschaftsabbrüche machen, sondern lediglich sachlich informieren. Denn anpreisende oder grob anstößige Werbung ist nach dem ärztlichen Standesrecht verboten und bleibt es auch. Auch am geltenden Schutz ungeborenen Lebens ändere sich nichts.“
Aufklären – Ja!, Werben – Nein!
Was bedeutet das konkret? Christian Wagner gibt ein Beispiel: „Sachliche Informationsvergabe über den medikamentösen oder operativen Ablauf, etwaige Komplikationen und Alternativen sind jetzt möglich. Das darf man auf der Website oder in Broschüren kommunizieren und hilft dabei, dass Frauen in einer schwierigen Situation eine informierte Entscheidung treffen können. Werbung zur Abtreibung im harmonischen Wohlfühl-Ambiente oder für die risikoarme Wunderpille wäre als irreführend und anpreisend einzustufen und bleibt verboten.“
Auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb spielt hier noch mit hinein: Wenn Werbung wegen ihres Inhaltes an die Grenze der Menschenwürde stößt, wird gegen §3 dieses Gesetzes verstoßen. „Werbung für Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch einer Schwangerschaft geeignet sind, bleibt also in diesem Sinne verboten. Aufklären, welche Medikamente eingesetzt werden und wie sie wirken: Ja. Werbung dafür machen: Nein.“
Der Grat dabei ist schmal und für Mediziner nicht immer klar einzuschätzen. Ärzte-Anwalt und mediorbis-Experte Wagner rät Gynäkologen, die diesbezüglich ihr Infomaterial und ihre Websiteinhalte verändern wollen, einen Fachanwalt für Medizinrecht darüber schauen zu lassen. So seien sie definitiv auf der sicheren Seite.
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