Die Pandemie setzt zur vierten Welle an und Impfkommissionen weltweit diskutieren: Wer darf wann geimpft werden? Und wer haftet im Zweifelsfall.
Die Datenlage ist für alle die gleiche, doch die Antworten fallen unterschiedlich aus und immer mehr Ärzte impfen nach eigenem Ermessen. Während die STIKO gerade erst die Corona-Impfungen für Kinder ab 12 Jahren empfohlen hat, erhält diese Altersgruppe in anderen Teilen der Welt schon längst die Impfung. Für Schwangere ist in Deutschland die Impfung von der STIKO noch gar nicht empfohlen – nur bei besonderem Risiko durch Vorerkrankungen ab dem zweiten Trimester. In den USA erhalten dagegen schon alle schwangeren Frauen ihren Pieks.
Jeder Arzt entscheidet eigenständig
Jeder Arzt kann grundsätzlich unabhängig von der STIKO nach Nutzen-Risiko-Abwägung eigenständig entscheiden, Schwangere oder Kinder unter 12 Jahren zu impfen. So haben schon etliche 12- bis 17-Jährige in Deutschland ihre erste Dosis erhalten, bevor die offizielle Empfehlung ausgesprochen wurde. Bei Schwangeren läuft es ähnlich: Wer ab dem zweiten Trimester geimpft werden will, findet leicht einen Arzt.
Doch was ist, wenn etwas schief geht? Fehlgeburt oder seltene Impffolge beim Kind? Wird dann der Arzt zur Kasse gebeten?
Die Impf-Aufklärung muss dokumentiert werden, um Haftung auszuschließen
Das Infektionsschutzgesetz regelt die Haftungsfrage bei allen Schutzimpfungen recht klar: „Die Länder haften, wenn die bekannten Nebenwirkungen auftreten. Der Bund übernimmt die Haftung, wenn unerwartete Nebenwirkungen auftreten“, sagt Christian Wagner, Fachanwalt für Medizinrecht. „Bei Produktfehlern haftet der Hersteller und der impfende Arzt wiederum haftet dafür, dass er die Impfung korrekt verabreicht. Voraussetzung für das korrekte Verabreichen ist ein dokumentiertes Aufklärungsgespräch und die Einverständnis des Impflings, auch schon bei 12-Jährigen, sowie beider Sorgeberechtigten bei gemeinsamen Sorgerecht!“
Dies gilt für zugelassene Impfstoffe grundsätzlich, auch wenn sie von der STIKO aufgrund ungenügender Studienlage nicht empfohlen werden, also etwa auch bei Schwangeren. Der Arzt darf hier eine Risiko-Nutzen-Abwägung machen und zur Impfung raten.
Aber: Die Aufklärung und die Einverständniserklärung muss dokumentiert werden und darf nicht auf nicht-medizinisches Personal delegiert werden. Wagner empfiehlt: „Um den immer strenger werdenden Anforderungen der Rechtsprechung an die ärztliche Aufklärungspflicht zu genügen, sollte der Arzt den Eltern eines Impflings oder dem zu impfenden Erwachsenen grundsätzlich schon rechtzeitig vor dem Impftermin schriftliches Informationsmaterial zur Verfügung stellen und die Impfentscheidung beim Termin nochmals besprechen.“ Wer das noch schriftlich festhält, der ist auf der sicheren Seite.

„Man muss sich klar sein: Wer ohne Zulassung impft, haftet selbst!“
Anders verhält es sich aber bei dem Einsatz von Impfstoff entgegen der offiziellen Arzneimittel-Zulassung. Die Covid-Vakzine sind bisher nicht für Kinder unter 12 Jahren zugelassen. Wer also jüngere Kinder impft, handelt im Rahmen der so genannten Off-Label-Verwendung, die bei Medikamenten häufig praktiziert wird – zum Beispiel, wenn Antiallergika wegen ihrer sedierenden Nebenwirkung entgegen der offiziellen Zulassung als Schlafmittel verwendet werden.
„Das Haftungsrisiko bei eventuellen Impfschäden liegt allerdings bei Off-Label-Use beim Arzt allein“, stellt Medizin-Jurist Wagner klar und warnt: „Wenn der Arzt die Impfung nicht korrekt verabreicht oder Aufklärungsfehler vorliegen, muss der Arzt im Forderungsfalle seine Haftpflichtversicherung umgehend unterrichten. Diese stellt ihm dann einen Anwalt zur Seite oder er wählt einen Anwalt seiner Wahl, die aber mit der Versicherung abgestimmt werden muss.“
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