Neues Gutachten der Kommission Forschung und Innovation
Die Expertenkommission Forschung und Innovation – kurz EFI – beobachtet seit 14 Jahren die Entwicklung der Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen Vergleich. Dabei versteht sich die EFI nicht nur als Gutachter, sondern macht auch Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik. Der Bogen ist dabei weit gespannt und reicht vom Klima über die Entwicklung von Fachkräften, dem Verkehr bis zur Anzahl der gemeldeten Patente in einem Jahr.

Auch auf der Agenda: Digitalisierung des Gesundheitswesens
Unter der Lupe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lag dabei auch der Bereich „Digitale Transformation im Gesundheitswesen“. Im druckfrischen Bericht kommt die EFI zu einem eindeutigen Ergebnis: „Internationale Vergleichsstudien zeigen, dass Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens weit hinter anderen europäischen Ländern zurückliegt. So belegt Deutschland in neueren Benchmarking-Studien überwiegend nur einen Platz im unteren Drittel.“ Dabei beschränken sich die EFI-Experten nicht aufs Allgemeine, sondern gehen auf konkrete Aspekte ein: „Ein Beispiel für die schleppende Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist die gescheiterte Einführung des elektronischen Rezepts (e-Rezepts). Trotz einer 16-jährigen Planungs- und Vorbereitungsphase ist es nicht gelungen, dieses wie geplant am 1. Januar 2022 in die Anwendung zu bringen. Weitere massive Defizite bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen wurden durch die Coronapandemie offengelegt.“
76 Einhörner – aber nur zwei in Deutschland
Zu den Gründen für die Defizite gehört nach den EFI-Experten auch, dass die Akteurslandschaft sehr vielschichtig und heterogen ist. Oder anders gesagt: Klare Ansage und Durchregieren funktionieren im deutschen Gesundheitssystem nicht. Und es hapert nicht nur im öffentlichen Bereich: In den Jahren zwischen 2019 und 2021 hat sich die Zahl der Unicorns im Health-Tech-Bereich weltweit von 38 auf 75 verdoppelt. Zu Erinnerung: Unicorns oder Einhörner sind Start-ups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar. Mit einer Anzahl von 51 sind die meisten dieser Fabelwesen in den USA unterwegs, darauf folgen China mit acht und die EU mit sechs. In Deutschland sind es nur zwei.
Ist alles schlecht? Nein!
Deutschland hinkt zwar vielfach hinterher, aber es gibt auch Positives zu lesen, das überrascht: „Mit der Einführung der DiGA im Oktober 2020 ist Deutschland das erste Land, in dem es Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten möglich ist, sogenannte ‚Apps auf Rezept‘ zu verordnen.“ Dass nicht alles schlecht ist, bestätigt auch Nabil Khayat, Founder mediorbis: „Welche Vorteile die Digitalisierung in der Medizin in Deutschland haben kann, hat vielleicht am augenfälligsten die Videosprechstunde gezeigt, die während der Pandemie tatsächlich einen Siegeszug angetreten hat. Trotzdem hat der Bericht der EFI recht: Es gibt einen erheblichen Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen.“
Was ist jetzt zu tun? Vor allem viel
Ihre Vorschläge hat die EFI in verschiedene Themenbereiche gegliedert. An erster Stelle steht die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen, die dann schnell umgesetzt werden muss. Zweitens gehört dazu, dass Gesundheitsdaten zwar DSGVO-konform, aber mit möglichst niedrigem administrativem Aufwand wissenschaftlich genutzt werden können. Die telemedizinischen Anwendungen und DiGA sollen weiter gefördert und angewandt werden. Schließlich soll die Digitalisierung stärker in die Lehre von Gesundheitsberufen einbezogen werden. Nicht zuletzt gilt es der EFI nach auch, die digitale Infrastruktur insgesamt quantitativ wie qualitativ auszubauen.
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