Praxisambiente: Mozart hilft beim Bohren

Das richtige Ambiente in der Praxis

„Der Patient sitzt“, sagt die Helferin, aber Zahnärztin Dr. Susanne Koch betritt ein offenbar leeres Behandlungszimmer. Sie entdeckt den Patienten – knapp zwei Meter einschüchternde Männlichkeit –, wie er sich hinter der geöffneten Tür an die Wand drückt. Klassischer Fall von Angstpatient. Der Name der Zahnärztin musste aus Patientenschutzgründen geändert werden. Die Geschichte hat sich aber tatsächlich genau so zugetragen. 

Für solche Härtefälle, aber auch die leichteren Kandidaten hat die Kölner Zahnärztin einen erprobten Entspanner im Angebot: Bei der Behandlung läuft die Musik, die der Patient sich wünscht. Sie schwört darauf.

Bei einer echten Zahnarztphobie, die sich häufig nach traumatischen Erlebnissen manifestiert, ist eine therapeutische Begleitung oft unabdingbar. Für leichtere Fälle der Zahnarztangst kann schon – siehe Beispiel – eine sehr viel einfachere Methode helfen: das richtige Ambiente in der Praxis.

Musik führt zu geringerem Schmerzempfinden

„Laut einer aktuellen Statista-Umfrage haben mehr als 13 Prozent der Deutschen ihre Zähne länger als zwei Jahre nicht mehr untersuchen lassen“, sagt Fabian Engelhardt, Co-Founder von mediorbis. Als Ärzteberater und Mitglied im Bundesverband Freier Sachverständiger e.V. ist er unter anderem für die Beratungsgemeinschaft für Ärzte und Zahnärzte (BAZ) tätig. „Auch wenn nicht immer eine klinische Dentophobie dahintersteckt, haben doch knapp ein Fünftel der Deutschen nach eigenen Angaben Angst vor jedem Zahnarztbesuch.“ 

Musik ist ein wirksames Mittel gegen die Anspannung auch schon vor der Behandlung, das belegen Studien. Besonders klassische Musik senkt den Blutdruck und wirkt sich positiv auf das Schmerzempfinden aus. Unter den Klassikern hervorzuheben: Wolfgang Amadeus Mozart.

Wenn schon Zahnarzt, dann keine Klassik

Für Patienten, die auf dem Standpunkt stehen „Wenn schon Zahnarzt, dann nicht auch noch Klassik“, können auch poppigere oder elektronischere Klänge helfen. Hauptsache die Musik  bleibt gleich laut und ist möglichst wenig „mitreißend“, so die Forschungsergebnisse. Weitere Untersuchungen zeigten, dass der angstlösende Effekt am stärksten ist, wenn der Angstpatient bereits vor der Behandlung im Zahnarztstuhl Musik zu hören bekommt. 

Musik in Praxen als Hintergrundmusik ist übrigens seit einer einheitlichen Entscheidung durch den Bundesgerichtshof nicht mehr GEMA-pflichtig, da hierbei nicht von einer breiten Öffentlichkeit auszugehen sei.

Harte Linien und grelle Farben wirken abschreckend

Wer seinen Patienten darüber hinaus ein visuelles Erlebnis bieten möchte: Auch Kunst senkt laut einer Studie der Universität Westminster das Stresslevel. Liebhaber moderner Malerei unter den Dentisten sollten allerdings beachten: alles, was grelle Farben und harte Linien hat, gilt als ungeeignet für eine angstreduzierende Umgebung. Stattdessen helfen besonders ruhige, natürliche Szenen mit gedeckten Farben, ein angenehmes Ambiente zu schaffen. Im Behandlungszimmer kann der Patient durch Bilder oder einen Bildschirm an der Decke abgelenkt und so das Stresslevel reduziert werden. 

Grelle Farben können nicht nur auf Gemälden irritieren, auch die Beleuchtung hat einen Einfluss auf die Stimmung der Patienten. Abgesehen von der für eine Behandlung notwendigen Lichtinstallation, kann schon im Wartezimmer eine beruhigende Atmosphäre durch Licht geschaffen werden. Im Gegensatz zur harten Beleuchtung auf dem Zahnarztstuhl, können für den Wartebereich z. B. wärmere Lichtfarben gewählt werden, die Gemütlichkeit ausstrahlen. Wer keine Zeit oder Lust hat, sich kreativ auszutoben, findet Unterstützung bei professionellen Anbietern für Licht- und Raumgestaltung speziell für Arztpraxen. Und wer bei der Musikauswahl gänzlich überfordert ist: Das „entspannendste Lied der Welt” gibt es als 10-Stunden-Version auf YouTube.

Angenehmeres Ambiente, bessere Praxisbewertungen

Nützlicher Nebeneffekt: „Wenn eine Praxis auf ein angenehmes Ambiente achtet, spiegelt sich das auch in den Praxisbewertungen wider“, sagt Engelhardt.

Der Hüne in der Praxis von Dr. Susanna Koch hat sich Rammstein gewünscht. Passende Textzeile: „Wir haben Angst und sind allein / Gott weiß, ich will kein Engel sein“.