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Triage kann Totschlag sein

Viviane Clarin
27.12.2021

Triage ist die Horrorvorstellung in der Pandemie. Patienten aufgeben, weil keine Kapazitäten mehr vorhanden sind. Es gibt diese Corona-Triage nicht. Aber was wäre, wenn? Rein juristisch.

Grün kann warten, Schwarz ist schon tot

Die klassische Triage gehört seit Jahren zum Alltag auf den Notaufnahme-Stationen in deutschen Kliniken. Eine erfahrene Fachkraft labelt anhand der geschilderten oder festgestellten Symptome, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Grün bedeutet: hat Zeit. Bei Gelb ist der Zustand schon etwas kritischer. Bei Rot muss sofort gehandelt werden. Blaue Patienten haben keine Überlebens-Chance, schwarze sind schon tot.

Die Corona-Triage greift erst, wenn sich die Situation auf den Intensivstationen so dramatisch gestaltet, das darüber entschieden werden muss, wer überhaupt noch behandelt werden kann. Aber welche Kriterien könnten in diesem – hypothetischen – Fall aus juristischer Sicht greifen?

Ein Team sollte über Leben und Tod entscheiden

„Zunächst einmal sollte in so einem Fall nicht ausschließlich der behandelnde Arzt entscheiden müssen“, sagt Christian Wagner, Fachanwalt für Medizin beim Ärzteportal mediorbis. „Über die Triage sollte ein Team entscheiden. Dieses kann nur aus Ärzten bestehen, aber auch zusätzlich aus einer Pflegekraft und einer unabhängigen Person, etwa aus dem Ethikkommitte.“

„Gemäß der medizinischen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)“, so Wagner, „muss diese Gruppe aus Experten Empfehlungen aussprechen, auf die sie sich in einem informellen Verfahren geeinigt haben.“

Geimpft oder ungeimpft spielt keine Rolle

Diese Vorgehensweise erlaubt einerseits schnelles Handeln und soll andererseits gewährleisten, dass Entscheidungen über Leben und Tod strikt nach Maßgabe der klinischen Erfolgsaussicht getroffen werden. „Ob jemand geimpft oder ungeimpft an Covid erkrankt ist, ist keine Maßgabe“, betont Wagner.

Anklage wegen Totschlags

Ärzte sind rechtlich dazu verpflichtet, gesundheitliche Schäden von ihren Patienten abzuwenden. Folgt daraus eine Strafbarkeit, wenn sie es unterlassen? „Ja“, sagt Medizinrechtler Wagner. „Ein Arzt, der einen Patienten mit seiner Heilkunde und den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln das Leben retten könnte, läuft Gefahr, wegen Totschlags angeklagt zu werden, wenn er darauf verzichtet.“

Es gilt andererseits der Grundsatz, dass niemand rechtlich zu mehr verpflichtet werden kann, als er zu leisten im Stande ist. „Das kann Ärzte in Auswahlentscheidungen zwingen. Und wenn diese Entscheidung als falsch angezweifelt wird, kann eine Strafanzeige folgen“, erklärt Wagner.

Dokumentation und Zeugen – so sichern sich Ärzte ab

Wenn die Ärzte allerdings nachweislich gemäß der medizinischen Standards und Leitlinien tätig waren, besteht keine Strafbarkeit. Der Ärzte-Anwalt stellt klar: „Eine Triage nach Maßgabe der klinischen Erfolgsaussicht ist rechtlich zulässig. Unerlässlich ist aber die ordentliche Dokumentation der Situation, so dass die Entscheidung belastbar und belegbar ist – auch von Zeugen.“ Das Triage-Team sollte genau diese Rechtssicherheit gewährleisten.

Wer als Intensivmediziner Triage-Entscheidungen auf sich zukommen sieht, tut in jedem Fall gut daran, sich rechtlichen Rat einzuholen und seine Berufshaftpflichtversicherung zu überprüfen. Sollte ihm kein Experten-Team zur Seite stehen, das ihn bei der Entscheidung und deren Dokumentation und Bezeugung unterstützt, darf er dies einfordern. „Triage ist nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Ärzte ein Risiko“, sagt Christian Wagner. „Wer unter einer psychisch so belastenden Situation arbeiten muss, sollte zumindest jegliches Rechtsrisiko mindern.“

Wagner weiter: „Die Veränderungen der Digitalisierung bringen für den Arztberuf viele neue Möglichkeiten. Es geht nicht darum, sich dem Fortschritt zu verweigern, sondern frühzeitig Sicherungen zu schaffen, dass IT- und dadurch Rechts-Probleme gar nicht erst entstehen können.“

Bild 1: ©iStock / Tempura , Bild 2: ©iStock / PatrikSlezak

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