Cannabis als Medizin gegen Alkoholsucht

Cannabis gegen Alkoholsucht, ADHS … zahlt die Kasse?

Mira Ross-Büttgen
15.06.2022

Muss eine Krankenkasse Kosten für eine Cannabis-Therapie gegen Alkoholsucht übernehmen? Wie sieht es bei Cannabis im Kampf gegen ADHS aus? Sozialgerichte beschäftigen sich oft mit der Frage, ob eine Krankenkasse eine Cannabis-Therapie zahlen muss. Eine einheitliche Rechtsgrundlage fehlt aber bisher.

Cannabis gegen Saufdruck? Keine Kostenübernahme!

Ein 70-jähriger Krankenversicherter aus dem Landkreis Siegen bekämpfte seinen Drang zum Alkoholkonsum jahrelang mit selbst angebautem Cannabis. Nach dem Verbot des Eigenanbaus sollte die Krankenkasse die Kosten für Medizinal-Cannabisblüten übernehmen. Die lehnte das ab. Den anschließenden Gerichtsstreit verlor der Versicherte in erster Instanz. Im März 2022 entschied auch das Hessische Landessozialgericht im Berufungsverfahren: Der Mann hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Seine Alkoholerkrankung könne „unter anderem mit Rehabilitationsmaßnahmen, medikamentöser Rückfallprophylaxe und Psychotherapie behandelt werden“ (Quelle: Hessisches LSG).

Cannabis-Therapie: Freigabe mit Einschränkungen

Stethoskop, Cannabisblatt und Cannabis

Im März 2017 erweiterte der Gesetzgeber für Patienten die Möglichkeit, eine schwerwiegende Krankheit mit Cannabis auf Rezept zu bekämpfen. Das war zuvor nur in Ausnahmefällen möglich. Auch jetzt gibt es Bedingungen. Das Gesetz fordert unter anderem eine „nicht ganz entfernt liegende Aussicht“, dass Cannabis positiv auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome wirkt. Darüber hinaus gilt: Existiert bereits eine anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie, gibt es zumeist keinen Anspruch auf medizinisches Cannabis. Ausnahme: Der behandelnde Arzt kann begründen, warum sich die anerkannte Therapie bei seinem Patienten nicht anwenden lässt (SGB V – §31, Absatz 6).

Viel Raum für Interpretationen

Offen bleibt bei den gesetzlichen Vorgaben zum Beispiel, ab wann eine „nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf eine erfolgreiche Cannabis-Therapie besteht. Die Universität Bremen beklagte etwa im Cannabis-Report 2018 (Seite 15) eher lückenhafte Erkenntnisse zum medizinischen Nutzen der Cannabinoide. Seither hat es aber weitere Studien gegeben. Hilfreiche Informationen kann zudem die Begleiterhebung liefern, die die erweiterte Freigabe von Cannabis für therapeutische Zwecke bis März 2022 begleitet hat. Ebenfalls offen bleibt bisher, was der Gesetzgeber als schwerwiegende Krankheit definiert. Das lässt Raum für Interpretationen und Streitfälle zwischen Krankenkassen und Patienten. „Lehnt die Krankenkasse die Kostenübernahme für eine Cannabis-Therapie ab, sollte man nicht sofort aufgeben. Es bleiben vier Wochen für einen Widerspruch“, sagt Christian Wagner, Fachanwalt für Medizinrecht und Vorsitzender der SGB V-Kommission beim Deutschen Sozialgerichtstag.

ADHS: eine schwerwiegende Krankheit?

Bei der Definition schwerwiegender Krankheiten sind sich die Gerichte nicht immer einig. So scheiterte ein Kläger am Landessozialgericht Baden-Württemberg mit seiner Klage. Seit seiner Kindheit leidet er an ADHS, die er seit dem Alter von 13 Jahren mit Cannabis bekämpft. Eine schwerwiegende Erkrankung liegt bei ihm aber laut Gericht nicht nachweislich vor. Die Krankenkasse muss keine Cannabis-Therapie zahlen. Anders beurteilte das Sozialgericht Frankfurt am Main im Oktober 2021 den Fall eines anderen ADHS-Patienten (Urteil: S 25 KR 313/18). Verbunden ist die Krankheit bei ihm u. a. mit massiven Schlafstörungen und hoher Impulsivität. Die gerichtliche Sachverständige bewertete ADHS bei ihm „als schwerwiegende psychische Erkrankung“. Die Krankenkasse wurde verurteilt, die Cannabis-Therapie zu bezahlen.

Manchmal besteht Aussicht auf beschleunigte Verfahren

„Zum Anspruch auf Versorgung mit medizinischem Cannabis (§ 31, Abs. 6 SGB V) gibt es weiter keine einheitliche Rechtsprechung.“ Das betonte die Neue Zeitschrift für Sozialrecht in ihrer Jahresrevue 2021. „Den Patienten wäre hier mehr Rechtssicherheit zu wünschen“, sagt Christian Wagner. Er empfiehlt Patienten und Ärzten, bei einem ablehnenden Krankenkassenbescheid die Chancen eines Widerspruchs zu prüfen. Wird eine schnelle Entscheidung sehr wichtig, kann ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren den Prozess beschleunigen.

Bildnachweis – Bild 1: ©iStock/LauriPatterson , Bild 2: ©iStock/LPETTET

Kontakt zu mediorbis

Bitte wählen Sie ein Thema aus...*
Bitte wählen Sie ein Thema aus...
Praxisbörse
Praxisabgabe
Praxisübernahme
Praxisbewertung
Praxisabgabe an Investoren
Unternehmensberatung für Ärzte
Steuerberatung für Ärzte
Fachanwalt Medizinrecht
Praxisberatung & Praxismanagement
Praxismarketing
Suchmaschinenoptimierung
Webdesign für Ärzte
Patientenakquise
Social Media Marketing
Medical Headhunting
IT Consulting
Ärzteversicherungen
Praxisfinanzierung
Hilfe & Support
Sonstiges

Suche