Was ist die Sativa-Wirkung?
Sativa-Wirkung bei Freizeitkonsum von Cannabis: geistig stimulierend, zerebraler und energiegeladener Rausch, der beispielsweise Lachanfälle auslösen kann und kreative Ideen fördert; provoziert auch ein soziales Hoch (Geselligkeit). Die Sativa-Wirkung wird für Tagesaktivitäten empfohlen.
Sativa
Sativa, sativus und sativum sind die weibliche, die männliche und die sächliche Form des lateinischen Worts für „kultiviert“ oder „gezüchtet“. In der Botanik findet das Wort als Namenszusatz für bestimmte Nutzpflanzen Verwendung, zum Beispiel für Hanfpflanzen.
Hanf (Cannabis) ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Hanfgewächse. Der botanische Name der Nutzpflanze lautet Cannabis sativa. Carl von Linné, ein schwedischer Naturforscher, klassifizierte Cannabis erstmals wissenschaftlich. Das war 1753. Weil sein Nachname mit einem L anfängt, heißt es noch heute Cannabis sativa L.
Schon im 17. Jahrhundert führte jedoch der niederländische Forschungsreisende Georg Eberhard Rumpf den Begriff „indischer Hanf“ ein. Es dauerte allerdings bis 1785, dass der französische Botaniker Jean-Baptiste Pierre Antoine de Monet, Chevalier de Lamarck, die Unterteilung in Cannabis sativa und indica wissenschaftlich definierte. Er bezog sich dabei auf Rumpf und hatte zudem selbst einige Pflanzenproben aus Indien erhalten. Er begründete die Unterscheidung mit einigen äußerlichen Merkmalen. Damit war der Sativa- und Indica-Unterschied ins Leben gerufen. Sativa und Indica sollten als zwei Arten innerhalb der Gattung Cannabis gelten.
Bis heute werden Sativa-Pflanzen als eher hochwüchsig mit relativ schmal gefingerten Blättern beschrieben. Zudem wird der Sativa-Blüte häufig ein besonders hoher THC-Gehalt zugesprochen, der für die typische Sativa-Wirkung sorgen soll.
Tetrahydrocannabinol (THC) ist ein Inhaltsstoff der Cannabispflanze und vor allem für die psychotrope Wirkung von Cannabis verantwortlich. Sogenannte Sativa-Sorten kommen teils auf einen THC-Gehalt von über 30 %. Allerdings haben viele sogenannte Indica-Sorten vergleichbare THC- / CBD-Werte wie Sativa-Pflanzen. Cannabidiol (CBD) ist ein weiteres Cannabinoid der Hanfpflanze. Das allein kann es also nicht sein, was die Sativa-Wirkung ausmacht.
Cannabis-Wirkung
Cannabis-Wirkung ist nicht gleich Cannabis-Wirkung. Denn es gibt sehr viele unterschiedliche Cannabissorten – je nach Quelle ist von über 1.000 bis hin zu über 10.000 Sorten weltweit die Rede – und jede Cannabissorte weist eine spezifische Zusammensetzung auf. Angefangen bei den Cannabinoiden, von denen es weitaus mehr als THC und CBD gibt, über die Terpene bis hin zu den Flavonoiden. Auch die enthaltenen Stilbenoid-Derivate und Lignanamide könnten für die medizinische Wirkung relevant sein. Die jeweilige Cannabis-Wirkung hängt von der Konzentration der einzelnen Wirkstoffe und ihrem Zusammenspiel untereinander ab.
Der gängige Sativa-Indica-Unterschied hinsichtlich der Wirkung kann für medizinische Zwecke nicht herangezogen werden. Ob eine Blütensorte genetisch angeblich eine Sativa ist, hat keine Bedeutung für einen Arzt, der Cannabis verschreibt. Die Idee, eine Sativa gegen Depression einzunehmen, weil die Sativa-Wirkung doch als so beflügelnd und stimmungsaufhellend gilt, entbehrt jeder medizinisch-wissenschaftlichen Grundlage. Die Sativa-Wirkung mag ein Kriterium unter Freizeitkonsumenten sein, nicht jedoch in der Cannabis-Therapie.
Zur Cannabis-Wirkung und zu Cannabis-Nebenwirkungen schreibt Cannabis-Arzt Dr. Franjo Grotenhermen:
Cannabis wirkt nicht spezifisch. Die in dem einen Fall erwünschte Wirkung kann in dem anderen Fall unerwünscht sein. […] Eine heute weit akzeptierte Meinung zum Nebenwirkungspotenzial von Cannabis wird in dem Bericht des Medizininstituts der USA von 1999 zur medizinischen Verwendung von Marihuana in folgender Weise wiedergegeben: „Marihuana ist keine vollständig gutartige Substanz. Es ist eine starke Droge mit einer Vielzahl von Effekten. Allerdings bewegen sich die unterwünschten Effekte einer Marihuanaverwendung mit Ausnahme der Schäden, die mit dem Rauchen verbunden sind, innerhalb der Effekte, die bei anderen Medikamenten toleriert werden.“ Cannabis ist also weder besonders gefährlich noch völlig harmlos.
Cannabis. Verordnungshilfe für Ärzte von Grotenhermen / Häußermann
Sativa, Indica – ein echtes Gegensatzpaar?
Sativa und Indica bilden ein Gegensatzpaar – so wird es häufig suggeriert. Da ist von verschiedenen geografischen Orten die Rede, der optische Unterschied von Sativa und Indica in Wuchs, Größe und Blattfarbe wird angeführt, auch die unterschiedliche Sativa- / Indica-Wirkung, vor allem wird „Sativa vs. Indica“ oft mit THC vs. CBD übersetzt.
MacPartland und Guy schrieben zum Thema Sativa / Indica im Jahr 2017:
Die Debatten über Cannabis sativa L. und C. indica Lam. drehen sich um ihre taxonomische Einordnung und ihren Rang. Dieses immerwährende Rätsel wurde durch die virale Verbreitung einer umgangssprachlichen Nomenklatur, „Sativa“ und „Indica“, verschärft, die nicht mit C. sativa und C. indica übereinstimmt. […] Um die Entstehung der umgangssprachlichen Nomenklatur nachzuvollziehen, beginnen wir mit den Protologen (Originalbeschreibungen, Synonyme, Typusexemplare) von C. sativa und C. indica. Biogeografische Belege (aus der Literatur und Herbarbelegen) deuten darauf hin, dass die Botaniker des 18. und 19. Jahrhunderts bei der Zuordnung dieser Taxa zu den Feldbelegen voreingenommen waren. Dies führte zu einer verzerrten Wahrnehmung der Artenvielfalt und der Verbreitung von Cannabis. Die Entwicklung der umgangssprachlichen Bezeichnungen „Sativa“, „Indica“ und „Ruderalis“ wurde von Botanikern des 20. Jahrhunderts gefördert, die die Originalprotokolle ignorierten und ihre eigenen kulturellen Vorurteile hegten.
McPartland, J.M., Guy, G.W. Models of Cannabis Taxonomy, Cultural Bias, and Conflicts between Scientific and Vernacular Names. Bot. Rev. 83, 327–381 (2017). https://doi.org/10.1007/s12229-017-9187-0
Auch in einer weiterführenden Arbeit von McPartland und Small aus dem Jahr 2020 heißt es, dass Kultivare oder Sorten oft aufgrund ihres THC:CBD-Verhältnisses als Sativa oder Indica bezeichnet werden, obwohl ihre taxonomische Klassifizierung oder ihre Genetik das nicht stützen:
„Die umgangssprachlichen Bezeichnungen Sativa und Indica (nicht zu verwechseln mit den taxonomischen Bezeichnungen C. sativa sativa L. und C. sativa indica Lam.) werden von Züchtern, Händlern und Konsumenten routinemäßig Cannabissorten zugeordnet, um die Morphologie, das Aroma und/oder die psychoaktiven Wirkungen einer Sorte zu beschreiben.“
Des Weiteren stellen Watts et al.** in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2021 fest:
„Sativa-Indica-Kennzeichnungen spiegeln also die genetische Verwandtschaft nicht genau wider, was mit früheren Arbeiten übereinstimmt. Darüber hinaus stellten wir fest, dass Probenpaare mit identischen Sortennamen (z. B. OG Kush) genetisch und chemisch oft genauso weit voneinander entfernt waren wie Probenpaare mit unterschiedlichen Namen. Dies steht im Einklang mit früheren Studien, die zeigten, dass Sortennamen keine zuverlässigen Indikatoren für die genetische oder chemische Identität einer Probe sind.“
Das hieße, dass die gleiche Cannabissorte mal eine typische Sativa-Wirkung hervorufen könnte, mal nicht.
Gras-Sorten mit Sativa-Wirkung
Gras ist eine unter Freizeitkonsumenten gängige Bezeichnung für Marihuana, ebenso wie Weed. Im medizinischen Kontext finden diese Bezeichnungen keine Anwendung, hier ist üblicherweise nicht von Gras-Sorten, sondern von medizinischem Cannabis oder Medizinalcannabis die Rede. Und das kompexe Wirkspektrum wird nicht auf Sativa-Wirkung heruntergebrochen.
Speziell Drogenpflanzen wurden in den 1980er Jahren in zwei Kategorien unterteilt, die noch heute unter den allgegenwärtigen Bezeichnungen „Sativa“ und „Indica“ bekannt sind. In dieser Zeit veröffentlichte Anderson Pflanzen-Zeichnungen und unterschied dabei Sativa und Indica nach Morphologie und geografischer Herkunft. Sativa galt für Pflanzen mit schmalen Fiederblättern, hohem und diffusem Wuchs und später Reife. MacPartland und Small stellten zwischenzeitlich fest, dass in der Folge Autoren den umgangssprachlichen Begriff Sativa fälschlicherweise mit dem Epitheton des wissenschaftlichen Namens Cannabis sativa gleichgesetzt haben.
Fälschlicherweise, weil von Linné mit C. sativa konkret die Faserpflanze (Hanf) und nicht die Drogenpflanze (Marihuana) meinte. Lamarck wiederum beschrieb mit C. indica konkret als Drogen genutzte Pflanzen.
In taxonomischen Studien und juristischen Dokumenten wurden diese fälschlichen Gleichsetzungen von Sativa und C. sativa übernommen, sodass die Begriffe bis heute zweideutig und widersprüchlich auch im Zusammenhang mit der medizinischen Cannabis-Wirkung beziehungsweise Cannabisöl-Wirkung Anwendung finden.
Zudem ist es durch jahrzehntelange Kreuzungen zu starken Vermischungen unter den Sorten gekommen. Als Anhaltspunkt für Konsumenten werden Hybride häufig mit Zusatzbezeichnungen wie „Sativa-dominant“ versehen. Verschiedene Wissenschaftler sind aber mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass diese Etikettierung meist recht willkürlich erfolgt. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass die Hybrid-Sorte AK-47 beim Cannabis Cup 1999 als „Beste Sativa“ und vier Jahre später als „Beste Indica“ prämiert werden konnte.
Die medizinische Wirkung von Cannabis sativa L.
Bekannt ist die Heilpflanze seit Jahrtausenden, aber die Wirkung von Cannabis sativa L. wird erst seit einigen Jahren wieder zunehmend unter dem therapeutischen Gesichtspunkt gesehen. Der Cannabis-Pflanze hängt das Image der Gras-Wirkung an, also einer psychedelischen Partydroge. Dabei können ungewollte Cannabis-Nebenwirkungen durch gezielte Nutzung passender Pflanzenkreuzungen und eine ärztlich verordnete individuelle Dosierung minimiert werden.
Unter Freizeitkonsumenten ebenso wie im populärwissenschaftlichen Bereich wird die Sativa-Wirkung häufig als stimulierendes und energetisierendes High beschrieben. „Die Wirkungen werden als Kopf-High charakterisiert und es können halluzinogene Effekte auftreten. Sativa-Sorten vermitteln ein Gefühl von Optimismus und Wohlbefinden.“, führt Dr. Franjo Grotenhermen die sogenannte Sativa-Wirkung weiter aus.
Bei der medizinischen Wirkung von Cannabis kommt es nicht auf eine taxonomische Zuordnung an, sondern auf die spezifische chemische Zusammensetzung jeder einzelnen Sorte. Dabei spielen neben Cannabinoiden, speziell dem prozentualen Anteil von THC und CBD, unter anderem auch Terpene eine wesentliche Rolle. Außerdem wird der verschreibende Arzt das individuelle Ansprechen des Patienten beobachten und Sorte sowie Dosierung ggf. anpassen.
Neben THC und CBD besitzen auch anderen Cannabinoide therapeutisches Potenzial. Dazu gehören beispielsweise Cannabichromen (CBC), Cannabigerol (CBG) und Tetrahydrocannabivarin (THCV). Das menschliche Endocannabinoidsystem steht im Zusammenhang mit dem zentralen Nervensystem, mit dem Herzkreislaufsystem, dem Magen-Darm-System, der Muskulatur, den Knochen, dem Immunsystem und der Haut.
Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zu einem Gesundheitsthema und dient somit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls einen Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen unsere Redakteure nicht beantworten.
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